Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung von Genussrechtsbedingungen
2. Zur Kündigung eines Vertrages über die Zeichnung vinkulierter Genussrechte
3. Zur Prospekthaftung
Normenkette
BGB §§ 305 ff.; InsO § 80
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 29.01.2010; Aktenzeichen 010 O 173/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.1.2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Münster wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.296 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.6.2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert von 7.560 EUR dem Kläger zu 83 % und dem Beklagten zu 17 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter den Beklagten auf (restliche) Erfüllung eines mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Vertrages über die Gewährung von Genussrechtskapital in Form des ratenweisen Erwerbs vinkulierter Namensgenussrechte in Anspruch.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Vertragsschlusses unter Einbeziehung der Genussrechtsbedingungen, um die Wirksamkeit einer vom Beklagten vor Insolvenzverfahrenseröffnung ausgesprochenen Kündigung sowie um die Einschlägigkeit einer vertraglichen Regelung über die Zahlung einer Abgangsentschädigung.
In erster Instanz wurde die Klage in Anwendung der Abgangsentschädigungsregelung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
B. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache (nur) im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
I. Aufgrund des zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten zustandegekommenen Vertrages über die Gewährung von Genussrechtskapital vom 09./21.9.2005 steht dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gem. § 80 Abs. 1 InsO ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung i.H.v. 1.296 EUR zur Insolvenzmasse zu. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es zu einem wirksamen Vertragsschluss zwischen der Insolvenzschuldnerin und ihm gekommen.
In Form des von ihm unterzeichneten Zeichnungsscheins für Genussrechtskapital hat der Beklagte ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages abgegeben.
Die von dem Kläger zur Akte gereichte Kopie des Zeichnungsscheins ist vollständig ausgefüllt und trägt die erforderlichen Unterschriften. Soweit der Beklagte erstinstanzlich geltend gemacht hat, die erste Unterschrift unter der Erklärung über die Übernahme der "vinkulierten Namens-Genussrechte mit Gewinn- und Verlustbeteiligung" nach Maßgabe der Genussrechtsbedingungen und unter der Bestätigung über den Erhalt des Verkaufsprospektes sei gefälscht, stamme also nicht von ihm, hat er hierzu nach § 141 ZPO befragt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, er habe dem Berater U erlaubt, eine fehlende Unterschrift für ihn zu leisten. Damit hat er nach eigenem Bekunden den Berater U ermächtigt, die fehlende Unterschrift selbst zu ergänzen, so dass letzterer bei Unterzeichnung "unter fremdem Namen" mit Vertretungsmacht gehandelt und damit den Beklagten wirksam entsprechend § 164 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Ellenberger, § 164 Rz. 10) vertreten hat.
Mit Schreiben vom 23.12.2006 hat der Beklagte zwar bezogen auf den streitgegenständlichen Vertrag den Widerruf erklärt; dieser Widerruf ging jedoch ins Leere, da dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt wegen des Ablaufs der Widerrufsfrist kein Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 355 BGB mehr zustand. Der Zeichnungsschein enthält nämlich deutlich abgesetzt und vom Beklagten gesondert unterzeichnet eine Widerrufsbelehrung, die die erforderlichen Angaben nach §§ 355, 357 BGB beinhaltet. Das hatte zur Folge, dass die Widerrufsfrist von 2 Wochen nach Unterzeichnung im September 2005 in Gang gesetzt wurde und somit im Dezember 2006 lange abgelaufen war.
Das somit wirksame Vertragsangebot des Beklagten hat die Insolvenzschuldnerin schriftlich angenommen.
Damit haben sich die Vertragsparteien auf die Übernahme von Genussrechtskapital durch den Beklagten gegen Gewinn- und Verlustbeteiligung durch die Insolvenzschuldnerin geeinigt.
Genussrechte sind nach der Rechtsprechung des BGH (so die "Klöckner-Entscheidung" = NJW 1993, 57 sowie auch NJW 2003, 3412, 3413) Dauerschuldverhältnisse eigener Art, die keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen.
Die aus diesem Dauerschuldverhältnis konkret geschuldete Gegenleistung der Insolvenzschuldnerin ist wegen des Verweises auf die genau bezeichneten Genussrechtsbedingungen hinreichend bestimmbar, was ausreicht (vgl. Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 145 Rz. 3). Die zwischen den Parteien umstrittene Frage einer wirksamen Einbeziehung der Genussrechtsbedingungen beda...