Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 08.08.2007; Aktenzeichen 44 O 71/07) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 8.8.2007 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin), die behauptet, Aktionärin der Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagte) zu sein, strebt den Erlass einer einstweiligen Verfügung an, mit der der Beklagten untersagt werden soll, ohne Zustimmung ihrer Hauptversammlung
- Geschäftsbereiche oder Teile davon mit Dritten zu fusionieren und/oder an die Börse zu bringen,
- Immobilien oder Anteile an Immobilienfonds im Wert von mehr als 100 Mio. EUR zu veräußern,
- Gesellschaften oder Teile davon im Wert von mehr als 100 Mio. EUR zu veräußern.
Als Grund für dieses Begehren führt die Klägerin an, der Vorstand der Beklagten beabsichtige aufgrund eines Gesamtplans die Umstrukturierung der Gesellschaft von einem Handelsunternehmen in eine Finanzholding. Dies erfordere jedoch nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen die Einbeziehung der Hauptversammlung in die Willensbildung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat den Antrag nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle bis auf die beabsichtigte Veräußerung von Anteilen an dem Immobilienfonds "I" an einem Verfügungsgrund und insgesamt an einem Verfügungsanspruch.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Sie vertieft und ergänzt ihr Vorbringen und verweist insbesondere auf neuere Erklärungen der Beklagten, wonach insbesondere die Veräußerung der Versandhandelssparte O unmittelbar bevorstehe. Entgegen der Auffassung des LG dürften die einzelnen Umstrukturierungsakte auch nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit gesehen werden, was zur Erfüllung der "Holzmüller-Kriterien" führe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Essen aufzuheben und
- die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, zukünftig ohne ausdrücklichen Zustimmungsbeschluss ihrer Hauptversammlung Geschäftsbereiche oder Teile von Geschäftsbereichen (insbesondere die Kaufhaussparte sowie den Versandhändler O) mit Dritten zu fusionieren und/oder an die Börse zu bringen,
- die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ohne ausdrücklichen Zustimmungsbeschluss ihrer Hauptversammlung unmittelbar oder mittelbar in ihrem Eigentum stehende Immobilien oder Anteile an Immobilienfonds zu veräußern, soweit diese einen Wert von mehr 100 Mio. EUR haben,
- die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ohne ausdrücklichen Zustimmungsbeschluss ihrer Hauptversammlung unmittelbar oder mittelbar in ihrem Eigentum stehende Gesellschaften oder Teile von Gesellschaften zu veräußern, soweit diese einen Wert von mehr als 100 Mio. EUR haben,
- der Beklagten anzudrohen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. 1.-3. ausgesprochenen Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihren Vorständen, festgesetzt werden kann.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist die Berufungssumme gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschritten. Hierbei ist nicht allein auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin gem. § 3 ZPO abzustellen, das bei einer nicht näher konkretisierten geringen Beteiligung an der Beklagten möglicherweise einen Wert von 600 EUR nicht übersteigt. Die Beschwer orientiert sich vielmehr auch an dem Interesse der Beklagten, den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung abzuwenden. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 247 Abs. 1 AktG auf den vorliegenden Streitgegenstand. In den Fällen aber, in denen sich der Streitwert nach § 247 Abs. 1 AktG richtet, bildet dieser die Basis für die Bestimmung der Beschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (BGH ZIP 1994, 469 betreffend die Beschwer des § 546 ZPO a.F.; Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 247 Rz. 4 a.E.).
In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die in § 247 Abs. 1 AktG normierten Grundsätze für die Festsetzung des Streitwerts sich nicht nur auf Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen beschränken. Vielmehr wird die sinngemäße Anwendung auch auf Fallgestaltungen befürwortet, in denen Aktionäre die Gesellschaft verpflichten wollen, zur Entscheidung über bestimmte Geschäftsvorfälle eine Hauptversammlung einzuberufen (vgl. OLG Düsseldorf, NZG 2000, 1078, 1079; Hüffer, a.a.O. § 247 Rz. 3). Das im Streitfall zur Entscheidung stehende Begehren der Klägerin ...