Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 17.11.2009; Aktenzeichen 8 O 293/08) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 17.11.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Das beklagte Land bleibt verurteilt, an den Kläger 3.325,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 40 % und das beklagte Land zu 60 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 13 % und das beklagte Land zu 87 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz aus Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Unterbringung.
Auf den Inhalt der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Im Berufungsverfahren haben sich folgende Ergänzungen ergeben:
Das beklagte Land rügt, das Landgericht habe verkannt, dass zwischen der unterstellten Feststellung der Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG und der Zuerkennung einer Geldentschädigung kein Junktim bestehe. Selbst bei Annahme einer menschenunwürdigen Unterbringung des Klägers fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass diese beim Kläger zu körperlichen oder psychischen Schäden geführt habe, was bei der Zubilligung einer Geldentschädigung zu berücksichtigen sei. Der Umstand, dass sich der Kläger nicht gegen seine Unterbringung zur Wehr gesetzt habe, rechtfertige den Schluss, dass er sie selbst nicht als menschenunwürdig empfunden habe. Ein Verschulden sei angesichts der in der Vergangenheit rechtzeitig und in ausreichendem Umfang begonnenen erheblichen Anstrengungen zur Schaffung weiterer Haftplätze zu verneinen. Entschädigungsansprüche des Klägers seien ohnehin nach § 839 Abs. 3 BGB wegen Versäumung bestehender Rechtsmittel ausgeschlossen. Dabei sei darauf abzustellen, wie das mit dem Rechtsmittel befasste Gericht entschieden hätte. Rechtsmittel wären - auch bei Überbelegung - keineswegs aussichtslos gewesen, vielmehr wäre dann, wenn dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung stattgegeben worden wäre, eine Verlegung des Klägers erfolgt. Die Unzumutbarkeit der Rechtsmitteleinlegung sei auch nicht darin begründet, dass im Falle der Überbelegung die auf ein Rechtsmittel erfolgende Unterbringung des Gefangenen nur unter Verstoß gegen die Menschenwürde eines anderen Gefangenen möglich gewesen sei, da der auf Rechtsmittel bewusst verzichtende Gefangene die menschenunwürdige Behandlung hinnehme und für dieses freiwillige Opfer eine Entschädigung begehre, was auf ein "Dulden und Liquidieren" hinauslaufe. Nicht nur bei Ausschöpfung der durch §§ 109, 114 StVollzG eröffneten Rechtsmittel, sondern auch schon bei Stellung eines Antrags nach §§ 109, 114 StVollzG hätte der Kläger mithin "binnen kürzester Zeit - zumindest innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Wochen" Abhilfe erreichen können, zumal aufgrund der Fluktuation in der JVA Dortmund durchaus die Möglichkeit bestanden habe, dem Kläger kurzfristig eine Unterbringung in einer Einzelzelle zu ermöglichen. Nach entsprechender Auflage durch den Senat vertieft das beklagte Land seinen Vortrag zur Unterbringungssituation. Danach habe die JVA Dortmund im streitgegenständlichen Zeitraum über insgesamt 293 Hafträume, davon 218 Einzelhafträume und 75 Gemeinschaftshafträume (letztere 48 Hafträume für 2 Gefangene, 1 Haftraum für 3 Gefangene und 26 Hafträume für 4 Gefangene) verfügt. Die Einzelhafträume im Haupthaus, A-Flügel und Abt. 7 hätten über keine vollständige räumliche Abtrennung der Toilette und über eine durchschnittliche Grundfläche von 7,5 m² verfügt. Gleiches gelte sinngemäß für die Einzelhafträume der Abt. 8, die indes über eine Grundfläche von 8,8 m² verfügt hätten. Die 48 Gemeinschaftshafträume (für jeweils 2 Gefangene) hätten im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich eine Schamwand zum Toilettenbereich aufgewiesen. Die Gemeinschaftshafträume (für jeweils 3 bzw. 4 Gefangene) hätten im streitgegenständlichen Zeitraum über eine vollständige räumliche Abtrennung der Toilette verfügt, die auch gesondert entlüftet worden sei. Soweit tatsächlich Wartelisten für Einzelhafträume bestanden hätten, seien diese für die Jahre 2004 und 2005 nicht mehr nachvollziehbar. Im Übrigen sei zutreffend, dass ein bloßer Antrag an die Strafvollstreckungskammer als Kriterium für eine ohne Beachtung der Warteliste erfolgte Zuweisung eines Einzelhaftraumes erst in einer Konferenz der Leiter der Justizvollzugsanstalten am 04./05.09.2008 festgelegt worden sei.
Das beklagte Land beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.
Der Senat hat...