Verfahrensgang
LG Detmold (Entscheidung vom 11.03.2010; Aktenzeichen 9 O 158/09) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 11.03.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 3.830,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4 % und das beklagte Land zu 96 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
Der Kläger, der zwischen September 2008 und April 2009 in der Justizvollzugsanstalt (im Weiteren: JVA) Detmold inhaftiert war, mit deren Errichtung vor dem 01.01.1977 begonnen wurde, verlangt von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe ihm mit Beschluss des Landgerichts 01.10.2009 bewilligter Prozesskostenhilfe Zahlung einer Entschädigung wegen seines Erachtens menschenunwürdiger Haftunterbringung für 211 Tage in Höhe von insgesamt 3.974,00 €.
Der Kläger war innerhalb des von dem Entschädigungsbegehren umfassten streitgegenständlichen Zeitraums vom 10.09.2008 bis zum 08.04.2009 nach den unstreitigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts in einem Haftraum mit weniger als 10 qm Grundfläche und mittels Schamwand abgegrenzter Toilette (B 222) mit einem Mitgefangenen gemeinschaftlich untergebracht, wobei der Kläger vom 21.01.2009 bis zum 08.04.2009 werktags von 7:30 Uhr bis ca. 16.00 Uhr außerhalb des Haftraums einer Arbeitstätigkeit nachging.
Erstinstanzlich haben die Parteien im Wesentlichen darüber gestritten, ob der Kläger mit seiner gemeinschaftlichen Unterbringung einverstanden war, ob er mündliche und schriftliche anstaltsinterne Verlegungsanträge gestellt hat, ob seine Unterbringung menschenunwürdig war, auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Landes beruhte und einen geldwerten Entschädigungsanspruch nach sich zog, wobei sie insbesondere die Frage des Haftungsausschlusses nach § 839 Abs. 3 BGB problematisiert haben. Ferner hat das Land erstinstanzlich hilfsweise die Aufrechnung mit mehreren ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Justizkostenforderungen erklärt.
Das Landgericht hat das Land zur Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 3.974,00 € für insgesamt 211 Tage verurteilt, wobei es für 133 Tage von einer kalendertäglichen Entschädigung i.H.v. 20,00 € im Zeitraum vom 10.09.2008 bis zum 20.01.2009 und für 78 Tage innerhalb des Zeitraums der Arbeitstätigkeit des Klägers vom 21.01.2009 bis zum 08.04.2009 von kalendertäglich 18,00 € ausgegangen ist.
Daneben hat das Landgericht Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2009 zuerkannt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, da dem Kläger und seinem jeweiligen Mitgefangenen während der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht jeweils mindestens 5 qm Haftraumgrundfläche zur Verfügung gestanden habe und eine vollständig baulich abgetrennte Toilette in dem gemeinschaftlich bewohnten Haftraum nicht vorhanden gewesen sei, sei der Kläger menschenunwürdig untergebracht gewesen, was eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darstelle. Der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB greife nicht ein. Zwar sei streitig, ob der Kläger es schuldhaft unterlassen habe, Rechtsmittel gegen seine Unterbringung einzulegen, das beklagte Land habe aber nicht schlüssig dargetan, dass ein solches Rechtsmittel in der damaligen Situation angesichts der ständigen Überbelegung der JVA Detmold in den Jahren 2008/2009 trotz des Vorhandenseins von Schlichtzellen zu einer vorzeitigen Beendigung der gemeinschaftlichen Unterbringung geführt hätte. Wenn mehr als zwei bis drei Gefangene einen Einzelhaftraum verlangt hätten, hätte wieder auf die Warteliste für Einzelhafträume zurückgegriffen werden müssen. Der weitere Vortrag des Landes zu Verlegungsmöglichkeiten aufgrund der Fluktuation und der Bereitschaft einzeln untergebrachter Gefangener, sich gemeinschaftlich unterbringen zu lassen, sei unsubstantiiert. Dies gelte auch für den Vortrag der Möglichkeit in der JVA Münster. Die Hilfsaufrechnung scheitere an § 242 BGB.
Dagegen richtet sich die Berufung des beklagten Landes. Es verfolgt seinen auf vollumfängliche Klageabweisung gerichteten Antrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags mit Ausnahme der erstinstanzlich erklärten Hilfsaufrechnung weiter. Es trägt insbesondere vor, selbst wenn man von einer menschenunwürdigen Unterbringung des Klägers ausgehe, was zur Überprüfung durch den Senat gestellt werde, rechtfertige dies mangels psychischer bzw. physischer Auswirkungen keine Geldentschädigung, im Übrigen sei der in Ansatz gebrachte Entschädigungssatz übersetzt. Ferner wendet es sich gegen den Vorwurf des Organisationsverschuldens und ist weiterhin der Ansicht, der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB greife vollumfänglich ein. Im Rahmen...