Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 3 O 243/22)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.05.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn (8 O 243/22) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.860,45 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

I. Der Senat war gehalten, die erstinstanzliche Beweisaufnahme in Form des mündlich erstatteten unfallanalytischen Sachverständigengutachtens zu wiederholen, weil die Protokollierung desselben in erster Instanz entgegen § 159 ZPO unzulässigerweise dem Sachverständigen übertragen wurde. Infolgedessen war die Beweisaufnahme verfahrensfehlerhaft nicht ordnungsgemäß protokolliert.

Nach § 159 Abs. 1 ZPO ist über die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (§ 128 Abs. 1, § 279 ZPO) und jede Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 ZPO) ein Protokoll aufzunehmen. Die mündliche Verhandlung erster Instanz unterlag somit unzweifelhaft dem Protokollzwang. Zuständig für die Protokollführung ist, wenn die Kammer entscheidet, der Vorsitzende, es sei denn, er zieht gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Urkundsbeamten hinzu (vgl. hierzu Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024 § 159 ZPO, Rn. 5; Stadler in Musielak/Voit, 20. Aufl. 2023, ZPO § 159 Rn. 7; Fritsche in MüKoZPO, 6. Auflage 2020, § 159 Rn. 5; Saenger, ZPO, § 159 Rn. 3; Wendtland in BeckOK-ZPO, 50. Ed., 1.9.2023, § 159 ZPO Rn. 6). Die Übernahme der Protokollführung über die Beweisaufnahme, die gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO dem Protokollzwang unterliegt, konkret die Protokollierung des mündlichen Gutachtens durch den Sachverständigen selbst ist somit in der ZPO nicht vorgesehen und daher verfahrensfehlerhaft.

Nach gefestigter höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine Verletzung von § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO auch nicht gemäß § 295 ZPO geheilt werden. Sie führt in der Revision daher regelmäßig zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; denn ohne ordnungsgemäße Protokollierung fehlt es an der für eine revisionsrechtliche Prüfung notwendigen Feststellung eines Teils der tatsächlichen Grundlagen. Eine Aufhebung des Urteils ist danach nur ausnahmsweise dann nicht veranlasst, wenn sich der Inhalt der Beweisaufnahme aus dem Urteil selbst klar ergibt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Zeugen/der Sachverständige weitere Erklärungen abgegeben haben, die erheblich sein könnten. Allerdings muss sich die Wiedergabe der Aussagen im Urteil dann deutlich von deren Würdigung abheben und den gesamten Inhalt der Bekundungen erkennen lassen (so BGH Urt. v. 12.2.2019 - VI ZR 141/18, NZV 2019, 524 Rn. 18 m.w.N.; siehe auch BGH Urt. v. 21.4.1993 - XII ZR 126/91, NJW-RR 1993, 1034 = juris Rn. 15), was hier nicht der Fall ist.

Vor diesem Hintergrund stellt sich der erstinstanzliche Protokollmangel in der Berufungsinstanz unzweifelhaft als wesentlich i.S.d. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar, eben weil die Protokollführung durch den Sachverständigen in einem Zuge mit der Gutachtenerstattung keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann (vgl. BGH Urt. v. 15.2.2017 - VIII ZR 284/15, BeckRS 2017, 103968 Rn. 14).

II. Die allein aufgrund formeller Mängel durch den Senat neu durchzuführende Beweisaufnahme hat indes - im Hinblick auf die Schadenskompatibilität - nicht zu einem anderen Ergebnis als die erstinstanzliche Beweisaufnahme geführt. Insoweit kann deshalb vollumfänglich auf die Ausführungen im Senatshinweis vom 26.09.2023 (Bl. 111 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden eGA II) Bezug genommen werden.

Auch zweitinstanzlich hat der Sachverständige in überzeugender Art und Weise keinen Zweifel daran gelassen, dass die Beschädigung am keinesfalls durch das Beklagtenfahrzeug verursacht worden sein kann (Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 2 f., eGA II-196 f.).

Ebenso hat er keine Zweifel daran gelassen, dass die möglicherweise dem Beklagtenfahrzeug zuzuordnenden Beschädigungen links vom Radkasten einen vorgeschädigten Bereich betreffen und damit kein wirtschaftlicher Nachteil des Klägers Felgenhorn feststellbar ist (Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 2 vorletzter Abs., eGA II-196, und Seite 3 Abs. 4, eGA II-197).

Ob die Beschädigungen im Bereich rechts vom Radkasten dem Beklagtenfahrzeug zuzuordnen sind, lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen ebenso wenig feststellen. Bereits die Farbzuordnung zum Beklagtenfahrzeug kann nicht sicher erfolgen (Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 4 a. E., eGA II-198). Vor allem aber können diese Beschädigungen nicht in einem Zug mit den Beschädigungen links vom Radkasten entstanden sein (Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 3 Abs. 2, eGA II-197, und Seite 3 Abs. 7 f., eGA II-197).

Dass der Beklagte zu 1 tatsächlich mehrfach (vgl. dazu die Ausführungen des Sachverständigen im Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 3 letzt...

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