Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle eines Entschädigungsanspruchs (aus der Fahrzeugteilversicherung) wegen eines Zusammenstoßes mit Haarwild hat der Versicherungsnehmer nach § 286 ZPO zu beweisen, dass es zu einer Berührung zwischen dem Kraftfahrzeug und dem Haarwild gekommen ist. Der Umstand muss auch für den eingetretenen Schaden ursächlich sein.
2. Ist unstreitig, dass sich (jedenfalls) ein unter die Fahrzeugvollversicherung fallender Unfall ereignet hat und stellt der Versicherer - entgegen den Angaben des Versicherungsnehmers - in Abrede, dass ein Wildunfall vorliegt, so kann der Versicherer nach allgemeinen Grundsätzen wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nur dann leistungsfrei werden, wenn er - ebenfalls nach dem Beweismaßstab des § 286 ZPO - beweist, dass sich ein Wildunfall nicht ereignet hat.
3. Kann weder ein Zusammenstoß noch ein Nichtzusammenstoß bewiesen werden, so hat der Versicherer den Versicherungsnehmer aus der Fahrzeugvollversicherung zu entschädigen.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 22.05.2007; Aktenzeichen 4 O 617/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.5.2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Paderborn abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die S Bank AG, vertreten durch den Vorstand,..., Finanzierung Nr. 1541675060, 12.600,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2006 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 90 % und der Kläger zu 10 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Fahrzeugversicherung (Fahrzeugteilversicherung ohne SB, hilfsweise Fahrzeugvollversicherung mit 300 EUR SB) aufgrund eines Verkehrsunfalles, den er mit seinem von der S Bank finanzierten MB C 320 T am 13.3.2006 gegen 20.45 Uhr erlitt, auf Zahlung von 13.375,41 EUR (Reparaturkosten) und 520,94 EUR (Gutachterkosten) sowie anteiliger Rechtsanwalts-Kosten in Anspruch. Die S Bank hat sich mit der Prozessführung durch den Kläger einverstanden erklärt.
Zum angegebenen Zeitpunkt befuhr der Kläger den mit Schnee bedeckten ... weg von B in Richtung A. Aus zwischen den Parteien streitiger Ursache kam der Kläger mit dem Pkw kurz vor einer Linkskurve von der Fahrbahn ab und prallte mit der rechten Fahrzeugseite gegen einen Baum. Die herbeigerufenen Polizeibeamten W und E vermerkten in der Unfallmitteilung einen Wildunfall und die Erkennbarkeit von Haaranhaftungen und Blutspuren (Bl. 5 d.A.).
Aufgrund der telefonischen Meldung des Unfalls durch den Kläger beauftragte die Beklagte die Fa. D mit der Begutachtung des Unfallschadens. Der dortige Gutachter U besichtigte den Wagen zunächst am 15.3.2006. Rund eine Woche später besichtigte er den Pkw erneut und nahm von der linken Seite des Pkw zwei Proben (Flüssigkeit und Haare). Am 24.3.2006 stellte er das Gutachten fertig und gelangte zu einem Reparaturaufwand von 7.774,20 EUR (Bl. 56 ff. d.A.)
In der Schadensmitteilung vom 19.3.2006 (Bl. 77 d.A.) schilderte der Kläger den Unfall dergestalt, dass er mit einem Reh kollidiert sei. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige M ermittelte in seinem Gutachten vom 5.4.2006 Reparaturkosten von 13.375,41 EUR (Bl. 6 ff. d.A.) und stellte dem Kläger Gutachtenkosten von 520,94 EUR in Rechnung (Bl. 25 d.A.).
Ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes wildbiologisches Gutachten (Untersuchung der von dem Zeugen U genommenen Proben) gelangt zum Ergebnis, dass es sich weder um Tierblut noch um Tierhaare handelte (Bl. 76 ff. d.A.).
Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, es habe sich nicht um einen Wildunfall gehandelt.
Der Kläger hat behauptet, es sei ihm ein Reh in den linken Kotflügel gelaufen. Durch den Aufprall sei seine Fahrtrichtung nach rechts abgewichen, weshalb er dann gegen den Baum geprallt sei. Er sei mit rd. 30 km/h gefahren. Durch den Aufprall des Rehs sei der linken Scheinwerfer eingedrückt worden und die Scheinwerferhalterung gebrochen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an die S Bank AG, vertreten durch den Vorstand,..., Finanzierung Nr. 1541675060, 13.375,41 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2006 zu zahlen,
2. an ihn 520,94 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2006 sowie 449,96 EUR an vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat - in Bezug auf die Fahrzeugteilversicherung - einen Zusammenstoß mit einem Reh bestritten und sich - in Bezug auf die Fahrzeugvollversicherung - auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen.
Das LG hat die Zeugen W, E (Polizeibeamte), V (Jagdpächter) und U gehört und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen J eingeholt. Es hat sodann die Klage abgewiesen: Ein Wildunfall sei nicht bewiesen. In Bezug auf die Vollkaskoversicherung sei die Beklagte leistungsfrei, da de...