Leitsatz (amtlich)

Alkoholfreies Bier darf nicht mit der Angabe "vitalisierend" beworben werden, wenn dem Begriff keine speziellen gesundheitsbezogenen Angaben i.S.v. Art. 13 Abs. 3 HCVO in Verbindung mit dem Anhang zur VO (EU) 432/2012 beigefügt werden und in dem Bier Stoffe enthalten sind, die in der Verordnung beschrieben werden.

 

Normenkette

UWG § § 4, §§ 8, 10, 13; EU-VO 1924/2006; EU-VO 432/2012

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 19.12.2013; Aktenzeichen 8 O 99/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2013 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Arnsberg abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Erzeugnis "C alkoholfrei" mit der Angabe

"vitalisierend"

zu werben, wenn dies wie auf dem Rückenetikett der Flaschen und/oder auf den sog. Sixpacks gemäß nachfolgender Anlage A erfolgt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 130.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte betreibt eine bekannte Privatbrauerei in Deutschland. Sie hat das von ihr vertriebene Produkt "C alkoholfrei" auf den Rückenetiketten der Flaschen und auf den Verpackungen der sog. "Sixpacks" mit den Angaben "vitalisierend", "erfrischend" und "isotonisch" gekennzeichnet. Auf den Flaschenetiketten sind zudem die durch den Boxsport bekannt gewordenen Brüder L2 und L3 abgebildet. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Flaschenetiketten und der Verpackungen der "Sixpacks" wird auf die Anlage A zur Klageschrift Bezug genommen (Bl. 4, 5 d.A.).

Der Kläger, der D e.V., mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.5.2013 ab. Er machte geltend, die Werbung der Beklagten mit dem Begriff "vitalisierend" für ihr Produkt "C alkoholfrei" stelle eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der VO (EG) Nr. 1924/2006 (nachfolgend: HCVO) dar. Die Werbung verstoße gegen Art. 10 Abs. 3 HCVO, weil keine nach den Listen gem. Art. 13 und 14 HCVO zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 10.5.2013 (Anlage K 12) verwiesen.

Mit Schreiben vom 17.5.2013 (Anlage K 14), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies die Beklagte die Abmahnung zurück. Mit weiterem vorgerichtlichen Schreiben vom 19.6.2013 (Anlage K 16) teilte sie mit, dass die Bestände der gerügten Verpackungen der "Sixpacks" und der Flaschenetiketten des "C alkoholfrei" "etwa bis Ende des Jahres" aufgebraucht sein würden und dass voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2014 Etiketten und Kartonagen mit einer neuen Gestaltung eingesetzt würden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die angegriffene Auslobung "vitalisierend" sei nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 HCVO unlauter. Es handele sich dabei um eine gesundheitsbezogene Angabe gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Der Begriff "vital" werde im Sinne von "lebenskräftig, munter, lebenswichtig" verstanden. Der Ausdruck "Vitalfunktion" umschreibe die Gesundheit der lebensnotwendigen Köperfunktionen. Der Begriff "Vitalstoff" werde als Oberbegriff für alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen angesehen. Der Kläger hat insoweit auf das Urteil des Senats vom 30.4.2013 im Verfahren 4 U 149/12 OLG Hamm verwiesen und zudem geltend gemacht, die Angabe "vitalisierend" sei - ähnlich wie "wohltuend" oder "bekömmlich" - dahin zu verstehen, dass eine entsprechende Wirkung auf die Gesundheit oder zumindest das gesundheitsbezogene Wohlbefinden hervorgerufen werde.

Dieses Verbraucherverständnis werde durch die Bewerbung des Produkts als "Sportgetränk mit regenerativer Wirkung" verstärkt. Zugleich werde auf die der Bevölkerung bekannten gesundheitsbezogenen Wirkungen von alkoholfreien Bieren Bezug genommen. Die Beklagte verwende den Begriff "vitalisierend" synonym für "Regeneration nach sportlicher oder körperlich anstrengender Betätigung". In den TV-Werbespots für das Produkt seien die Brüder L in Umkleideräumen dargestellt und konsumierten "C alkoholfrei" nach dem Boxen oder sonstiger sportlicher Aktivität. Als ein solches "Sportgetränk" sollten die Verbraucher das Erzeugnis auch im Supermarkt wahrnehmen und würden durch die Angabe "vitalisierend" auf diese Wirkung aufmerksam gemacht.

Dass es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe handele, ergebe sich auch aus der (Teil-)Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß der Verordnung (EU) Nr. 432/2012. Danach sei die Angabe "Kohlenhydrat-Elektrolyt-Lösungen tragen zur Aufrechterhaltung der Ausdauerleistung bei längerem Ausdauertraining bei" zugelassen.

Es fehlten zudem die Pflicht...

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