Leitsatz (amtlich)
1. Es begründet ein Auswahl-, Organisations- und Überwachungsverschulden des Insolvenzverwalters, wenn er als Bevollmächtigten zur Veräußerung eines Warenlagers den Prokuristen des Unternehmens einsetzt, das den zu einem bestimmten Stichtag noch vorhandenen restlichen Warenbestand zu einem Pauschalpreis erworben hat, ohne streng zu überwachen, dass dieser die Vorgaben des Verwalters umsetzt und die mit besonderen Aufgaben betrauten Mitarbeiter bei deren Erledigung nicht behindert.
2. Ein Mitarbeiter, der in der Zeit der vorgesehenen Verwertung eines Warenlagers im Wesentlichen seinen Resturlaub abfeiert, ist für die Verwertung offensichtlich ungeeignet i.S.v. § 60 Abs. 2 InsO.
Normenkette
InsO § 60
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 19.12.2005; Aktenzeichen 3 O 511/03) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.12.2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bochum wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
(§ 540 ZPO):
A. Der Beklagte ist seit Insolvenzeröffnung am 30.10.2000 Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. G GmbH & Co. KG. Die Klägerin hatte der Schuldnerin ab dem 1.2.1999 auf die Dauer von 10 Jahren ein Geschäftsgrundstück zum jährlichen Mietzins von 770.000 DM netto vermietet. Der Beklagte kündigte dieses Mietverhältnis zum 30.9.2001. Bis Juni 2001 zahlte der Beklagte die Miete pünktlich. In dem Rechtsstreit 4 O 283/01 LG Bochum = 30 U 25/02 OLG Hamm klagte die Klägerin die Monatsmieten für drei Monate von Juli bis September 2001 samt Nebenkosten i.H.v. insgesamt 121.226,31 EUR ein. Zahlungen hierauf erfolgten nicht; mit Schreiben vom 12.10.2001 zeigte der Beklagte die Masseunzulänglichkeit an.
Die Klägerin nimmt den Beklagten persönlich aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzverwalterhaftung in Anspruch, weil er die Masseunzulänglichkeit verspätet angezeigt, eine ungesicherte Insolvenzforderung der D-Bank aus Massemitteln befriedigt, einen überhöhten Erlösanteil aus der Veräußerung des Maschinenparks an die E-Bank ausgekehrt, das Warenlager (Vorratsvermögen) unwirtschaftlich verwertet, andere Altmassegläubiger vor ihr, der Klägerin, befriedigt und mutwillig den Rechtsstreit 4 O 283/01 LG Bochum mit der falschen Behauptung einer kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung geführt habe.
Außerdem hafte er aus § 61 InsO auf die Erfüllung ihrer Ansprüche, weil er das Mietverhältnis nicht bei erster Gelegenheit gekündigt habe. Schließlich habe er sich auch durch Täuschungs- und Benachteiligungshandlungen ggü. ihr ein deliktisches Verhalten zuschulden kommen lassen.
Das LG hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, der Beklagte habe die Insolvenzmasse dadurch pflichtwidrig verkürzt, dass er die C-Bank und die E-Bank befriedigt habe, ohne dass diesen ggü. Masseverbindlichkeiten in der entsprechenden Höhe bestanden hätten. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter, während die Klägerin das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Feststellungen sind dahin zu ergänzen, dass die Klägerin den Klageanspruch im Jahre 2002, vor Rechtshängigkeit, an die N AG als Prozessfinanzierer abtrat, wobei ihr das Recht zur Einziehung der Forderung verblieb.
Der Beklagte behauptet nunmehr, die Betriebsleiter P und L der Schuldnerin mit der Verwertung des Warenlagers beauftragt und diese ausreichend überwacht zu haben.
B. Die zulässige Berufung ist im Ergebnis unbegründet.
I. Die Klägerin ist berechtigt, den Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen. Zwar trat sie den Anspruch vor Rechtshängigkeit an die N AG ab, jedoch ermächtigte die Zessionarin die Klägerin zur Einziehung der Forderung sowie zur gerichtlichen Geltendmachung im Wege der Prozessstandschaft, wie sich aus dem Bestätigungsschreiben vom 31.5.2005 (GA 950) ergibt. Das für die gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige rechtliche Interesse ergibt sich daraus, dass die Abtretung lediglich der Sicherheit der den Prozess finanzierenden Zessionarin dient, die Klägerin dadurch aber nicht ihr ursprüngliches wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs verloren hat. Berechtigte Interessen des Beklagten werden durch die Prozessführung im Wege der Prozessstandschaft nicht verletzt.
II.1. Der Beklagte ist der Klägerin zum Schadenersatz gem. § 60 InsO verpflichtet. Er verletzte seine insolvenzspezifischen Pflichten, die auch der Klägerin als Masseg...