Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, seinen Mandanten über die Risiken eines bevorstehenden Rechtsstreits zu informieren.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsanwalt vereinnahmte Fremdgelder mit eigenen Honorarforderungen verrechnen darf.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 20.12.2011; Aktenzeichen 12 O 482/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers und der Beklagten wird das am 20.12.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 53.448,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3.1.2011 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.

Die weiter gehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die in erster Instanz angefallenen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die im Berufungsverfahren angefallenen Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 69 % und der Kläger zu 31 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die Beklagte - eine in E1 ansässige Partner-schaftsgesellschaft von Rechtsanwälten - X-Weg der Verletzung anwaltlicher Vertragspflichten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger hatte der Beklagten in zurückliegenden Jahren mehrere Mandate erteilt, die durch den inzwischen bei der Beklagten ausgeschiedenen Rechtsanwalt y2 bearbeitet wurden. Das Anliegen des Klägers bestand darin, finanzielle Verluste ersetzt zu bekommen, die er im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren erlitten hatte.

Der Kläger war geschäftsführender Gesellschafter der U GmbH mit Sitz in C. Das Unternehmen stellte Geräte und Bauteile für die Telekommunikation her und handelte mit diesen.

Am 23.5.2003 stellte der Kläger bei dem AG Bochum - 80 IN 598/03 - einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der U GmbH.

Das AG beauftragte mit Beschluss vom 26.5.2003 Herrn Rechtsanwalt y mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zur Aufklärung des Sachverhalts. Nachdem Rechtsanwalt y dieses Gutachten am 27.6.2003 erstellt hatte, wurde durch Beschluss des AG vom 1.7.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und Rechtsanwalt ym Insolvenzverwalter bestellt.

Am 7.4.2004 zeigte der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit an. Später wurde eine Insolvenzquote von 28,33 % festgestellt. Durch Beschluss des AG Bochum vom 20.11.2007 wurde das Insolvenzverfahren eingestellt (§ 211 InsO). Am 15.5.2008 wurde die Auflösung der Insolvenzschuldnerin im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger erlitt durch den Niedergang der U GmbH eigene wirtschaftliche Verluste. Diese ergaben sich - soweit hier von Interesse - daraus, dass er der E AG Lüdenscheid als Hausbank der U GmbH zwei Sicherheiten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gewährt hatte:

  • Zur Absicherung für Inanspruchnahmen aus dem Geschäftskonto der U GmbH Nr.../.../00 bis zum Höchstbetrag von 665.000 EUR hatte der Kläger am 21.1.2002 die Abtretung seines Aktiendepots bei der B AG an E erklärt.
  • Zur Absicherung eines der U GmbH gewährten Barkredits zur Kontonummer.../.../02 i.H.v. 150.000 EUR wurde am 5.9.2002 vereinbart, dass die U GmbH Ansprüche aus einer bei der D AG zugunsten des Klägers abgeschlossenen Lebensversicherung nebst Kündigungsrecht an E abtritt; dies wurde der D AG angezeigt. Soweit die Rechte aus dieser Versicherung bereits zuvor im Jahre 1989 an den Kläger abgetreten worden waren zur Rückdeckung einer ihm erteilten Pensionszusage, erklärte der Kläger gegenüber der D-bank am 6.11.2002 die Aufhebung dieser Verpfändungsvereinbarung. Damit hielt E die Ansprüche aus der Versicherung teils zur eigenen Absicherung und teils treuhänderisch für den Kläger.

Nachdem der Kläger am 23.5.2003 den Insolvenzeröffnungsantrag gestellt hatte, teilte E AG ihm mit, dass sie das Tilgungsdarlehen der U GmbH (Kontonummer.../...) über 553.846,16 EUR fällig stelle. Zugleich widerrief E einen Sicherungsübereignungsvertrag vom 21.2.2002, der Waren aller Art sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe im Erdgeschoss des Geschäftsgebäudes betraf nebst Weiterverkaufs- und Verarbeitungsbefugnis. Des Weiteren wurde ein Globalzessionsvertrag vom 21.1.2002 widerrufen.

Ergänzend teilte E dem Kläger am 16.7.2003 mit, dass die U GmbH die zum 21.05. und 5.6.2003 fällig gestellten Kredite nicht zurückgezahlt habe. Deshalb würden die vom Kläger geste...

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