Leitsatz (amtlich)
1. Ein Tiefbauunternehmen hat sich vor Erdarbeiten im Bereich öffentlicher Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Eine Suchschachtung bis zu einer Tiefe von 2 m ist unzureichend, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Leitungen in größerer Tiefe verlegt sind, was etwa bei im sog. HDD-Verfahren verlegten Glasfaserkabeln technisch ohne weiteres möglich ist.
2. Wird ein im Erdreich verlegtes Lichtwellenleiterkabel bei Bauarbeiten zerrissen, kann der geschädigte Eigentümer den Austausch im Umfang einer sog. Regellänge (Kabellänge zwischen den beiden konstruktiv bedingten Muffen, die der beschädigten Stelle benachbart sind) trotz einer mit der Reparatur einhergehenden zusätzlichen Signaldämpfung des Kabels gem. § 249 Abs. 2 BGB dann nicht verlangen, wenn ein wirtschaftlicher Nachteil bei der Nutzung des Kabels nicht eintritt.
In dem Fall rechtfertigt auch die Tatsache, dass mit jeder künftigen Kabeldurchtrennung und Reparatur im betroffenen Bereich eine weitere Signaldämpfung einhergeht, nicht die Annahme einer ersatzpflichtigen Wertminderung bereits durch den ersten Schadensfall. Vielmehr kann dem Risiko des geschädigten Eigentümers prozessual durch einen Feststellungsantrag Rechnung getragen werden.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 19 O 202/09) |
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.929,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden aus dem Schadensfall vom 23.8.2006 in F2, F-Allee, zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 83 % und die Beklagte 17 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 78 % und die Beklagte 22 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat weitgehend Erfolg, so dass das angefochtene Urteil in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise abzuändern war. Wegen der Beschädigung der Kabelschutzrohranlage mit innen liegenden Lichtwellenleiterkabeln vom 23.8.2006 ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin bereits entstandene Reparaturaufwendungen i.H.v. 2.929,11 EUR sowie etwaige künftige Schäden aus dem Schadensfall zu ersetzen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Zu Recht hat das LG eine dem Grunde nach uneingeschränkte Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gem. §§ 831, 823 BGB bejaht. Der Senat nimmt auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des LG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug. Darauf, dass ihrem Baggerführer und ihren weiteren Mitarbeitern kein schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten anzulasten sei, beruft sich die Beklagte ohne Erfolg.
An die Pflicht eines Tiefbauunternehmens, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten im Bereich öffentlicher Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen, sind hohe Anforderungen zu stellen. Vor der Erledigung derartiger Arbeiten hat sich das Tiefbauunternehmen Gewissheit zu verschaffen, dass es mit seinen Schachtungen keine Leitungen beschädigt (vgl. BGH r+s 2006, 256). Diesen Anforderungen ist das beklagte Unternehmen nicht gerecht geworden, und zwar selbst dann nicht, wenn von der Richtigkeit ihrer Darstellung ausgegangen wird, sie habe vor dem Einsatz ihres Baggers zunächst bis zu einer Tiefe von 2 m Suchschachtungen per Hand ausgeführt. Denn die Beklagte konnte nicht ausschließen, dass Leitungen in noch größerer Tiefe verlegt waren, wie dies gerade auch bei der Verlegung von Leitungen im HDD-Verfahren ohne weiteres technisch möglich ist.
Die Beklagte und ihre Mitarbeiter durften sich daher nicht auf eine Suchschachtung bis zu der Tiefe von 2 m beschränken sondern hätten entsprechend den Schutzanweisungen, die die Beklagte auf ihre Fremdleitungsanfrage von der Fa. Q GmbH erhalten hatte, die Klägerin einschalten müssen. Hätten sie dies nicht unterlassen, wäre der streitgegenständliche Schadensfall vermieden worden. Der Verlauf der Kabelschutzrohranlage der Klägerin hätte anhand der Unterlagen der Klägerin näher eingegrenzt werden können. Bevor dies geschehen war, hätte die Beklagte die Ausschachtungen, für die ein Bagger eingesetzt werden sollte, zurückstellen müssen.
Der somit schuldhaften Schadensverursachung seitens der Beklagten steht auf Seiten der Klägerin keine anspruchskürzende Mitverantwortlichkeit gegenüber. Bei der hier betroffenen Art einer Versorgungsleitung ergibt sich eine Mitverantwortlichkeit nicht aus den Vorschriften des Haftpflichtgesetzes. Zudem ist auf Seiten der Klägerin kein Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt feststellbar. Die Klägerin durfte vielmehr darauf vertrauen, dass sich die Beklagte und ihre Mitarbeiter über die Schutzanweisungen, die vorsahen, dass vor Beginn von Tiefbauarbeiten ein Ortstermin mit ih...