Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 294/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Januar 2017 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.043,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 130,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 7.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (vgl. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
II. Die Berufung ist begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Kompressionsjacke in Höhe von 3.043,43 EUR aus § 1 S. 1 VVG i.V.m. dem Krankenversicherungsvertrag der Parteien nebst gesetzlicher Zinsen (vgl. §§ 286, 288 BGB). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen vor:
a) Die Beklagte bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Teil I RB/KK 2009). Nach § 1 Abs. 2 Teil I RB/KK 2009 ist der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Im Versicherungsfall erbringt der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 3a Teil I RB/KK 2009). Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (...) sowie den gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 1 Abs. 3 S. 1 Teil I RB/KK 2009).
Hilfsmittel sind nach dem zu § 4 Teil I RB/KK 2009 ergangenen Teil II § 5 Abs. 4 S. 2 TB/KK 2009 bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich wie folgt erstattungsfähig:
"...
Zusätzlich sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich die Aufwendungen für folgende Hilfsmittel erstattungsfähig, sofern sie nach vorheriger Abstimmung mit der X über das Hilfsmittel-Management der X bezogen werden:
Heimmonitore zur Überwachung der Atmungs- und/oder Herztätigkeit von Kleinstkindern zur Vorbeugung gegen plötzlichen Kindstod (SIDS), Sauerstoffgeräte, Ernährungspumpen, Wechseldruckmatratzen/-systeme, Krankenbetten in funktionaler Standardausführung, Schmerzmittelpumpen, Beatmungsgeräte, Schlafapnoegeräte, Motor-Bewegungsschienen und Heimdialysegeräte."
b) Danach liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Aufwendungen für die Kompressionsjacke vor.
aa) Die Parteien haben mit Versicherungsbeginn am 01.06.1992 einen privaten Krankenversicherungsvertrag geschlossen. In den Vertrag sind die Bedingungen des Tarifs CV3A1 für Ärzte in Verbindung mit den RB/KK 2009 und TB/KK 2009 einbezogen.
bb) Die Klägerin ist erkrankt. Sie leidet seit Jahren unter Lymphödemen, die zunächst ab dem Unterbauch abwärts auftraten, mit dem Schwerpunkt der unteren Gliedmaßen. Inzwischen sind auch die oberen Gliedmaßen betroffen. Seit November 2010 erhält die Klägerin zwei- bis dreimal wöchentlich manuelle Lymphdrainage.
cc) Die der Klägerin ärztlich verordnete Kompressionsjacke gehört zu den bedingungsgemäßen und damit erstattungsfähigen Hilfsmitteln.
Allerdings ist eine Kompressionsjacke im Hilfsmittelkatalog der Beklagten nicht ausdrücklich angeführt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Kompressionsjacke jedoch im Wege der Auslegung als bedingungsgemäßes Wechseldrucksystem ("Wechseldruckmatratzen/-systeme") anzusehen.
(1) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (vgl. zum Vorstehenden: BGH, Beschluss vom 05.07.2017 - IV ZR 116/15 -, RuS 2017, 488 ff., bei juris Langtext Rn. 12). Bei den Regelungen über die Erstattung der Kosten für Hilfsmittel handelt es sich jedenfalls dann um einen abgeschlossenen Katalog erstattungsfähiger Hilfsmittel, wenn eine Verwendung des Wortes "ausschließlich" vor den jeweiligen Aufzählungen von Hilfsmitteln erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 05. Juli 2017 - IV ZR 116/15 -, RuS 2017, 488 ff., bei juris Langtext Rn. 10 m.w.N.). Dass eine abschließende Aufzählung der bedingungsgemäßen Hilfsmittel zu einer Unterschreitung des Versicherungsschutzes im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung führt, ist dabei nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.2017 - IV ZR 116/15 -, RuS 2017, 488 ff., bei juris Langtext Rn. 19 f., m.w.N.).
(2) Hiernach ist der Ver...