Leitsatz (amtlich)
1. Es ist verfahrensfehlerhaft, wenn das LG neuen Vortrag, der mit dem Widerruf eines bedingten Vergleiches in den Rechtsstreit eingeführt wird, ohne Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung berücksichtigt. Ein solcher Verfahrensfehler schließt die Zurückweisung des entsprechenden Vortrages im Berufungsrechtszug nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO aus.
2. Der Zwischenhändler haftet dem gewerblichen Verwender nicht für eine Fehlerhaftigkeit von Thermostaten (hier für Weinkühlschrank) aus Delikt, wenn eine eigene Kontrollpflicht auf Fehlerfreiheit mangels verdächtiger Umstände wie etwa eine erkennbare Schadenshäufung nicht bestanden hat.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 19.12.2003; Aktenzeichen 23 O 214/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.12.2003 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(gem. § 540 ZPO)
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, die ihm einen Thermostaten für einen Weinkühlschrank geliefert hat, Schadensersatz i.H.v. 10.343,15 Euro für eingefrorene Flaschenweine. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die hierzu in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter, wobei er insb. die Verfahrensweise und die rechtliche Beurteilung des LG angreift.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg.
1. Kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte scheiden aus, da zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustandegekommen ist; weder über den ursprünglichen Kühlschrank als Ganzes, noch über das Ersatzteil Thermostat. Letzteres ist vielmehr - was zwischen den Parteien unstreitig ist- aus Kulanz von der Beklagten an den Kläger geliefert worden.
2. Auch Ansprüche aus einem Schenkungsvertrag sind nicht gegeben, da der Schenker nach § 524 Abs. 1 BGB für Sachmängel nur bei Arglist haftet, wozu vom Kläger nichts vorgetragen ist, und die im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich ist.
3. Eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz scheidet aus, da das Produkthaftungsgesetz bei Sachbeschädigung nach § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHG nur private, nicht aber gewerbliche Endkunden schützt.
4. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung - hier wegen schuldhafter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht - gem. § 823 BGB ist ebenfalls nicht gegeben.
a) Der Thermostat ist von der Beklagten selber als Einzelteil zugekauft worden. Der dahingehende Vortrag der Beklagten ist der Entscheidung zugrunde zu legen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass das LG den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten, den diese erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einem Schriftsatz gebracht hat, mit dem sie den vor dem LG geschlossenen Widerrufsvergleich widerrufen hat, entweder nach § 296a ZPO nicht hätte berücksichtigen dürfen, oder - was hier die angemessene Verfahrensweise gewesen wäre - nach § 156 Abs. 1 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung hätte eintreten müssen. Dieser Verfahrensfehler des LG führt jedoch nicht dazu, dass der entsprechende Vortrag in der zweiten Instanz nach § 531 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig wäre. Denn der Rechtsstreit fällt in der Berufungsinstanz mit allen aktenkundigen Vorträgen zur Entscheidung an (BGH v. 12.3.2004 - V ZR 257/03, BGHReport 2004, 833 = MDR 2004, 954 = NJW 2004, 1876). Hierzu gehört vorliegend aber auch der Vortrag in dem vorgenannten Schriftsatz der Beklagten. Im Übrigen: Hätte das LG das gebotene Verfahren angewandt und wäre nach § 156 Abs. 1 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung eingetreten, hätte dies zur Berücksichtigung des entsprechenden Vortrages bereits in erster Instanz und damit - dann ganz unproblematisch - auch zur Berücksichtigungsfähigkeit des Vortrags in der zweiten Instanz geführt. Der Verfahrensfehler des LG, der außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Beklagten gelegen hat, kann im Ergebnis nicht dazu führen, dass die Beklagte nunmehr mit ihrem Vortrag nach § 531 ZPO in der Berufungsinstanz ausgeschlossen wäre.
b) Da die Beklagte den Thermostaten selber als Ersatz- bzw. Einzelteil zugekauft und an den Kläger weitergeleitet hat, ist sie insoweit nur als Zwischenhändlerin anzusehen. Als solche ist sie aber nach § 823 BGB auch dann nicht haftbar, wenn - was streitig ist- der Thermostat tatsächlich defekt gewesen wäre. Denn selbst bei einem Weiterverkauf träfe die Beklagte als Zwischenhändlerin kein Verschulden im Hinblick auf eine nicht erfolgte Funktionsprüfung des Thermostaten vor Weitergabe (BGH v. 18.2.1981 - VIII ZR 14/80, MDR 1981, 749 = NJW 1981, 1269). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der Beklagten um eine Großhändlerin (BGH v. 18.2.1981 - VIII ZR 14/80, MDR 1981, 749 = NJW 1981, 1269) oder um eine Einzelhändlerin (BGH v. 7.12.1993 - VI ZR 74/93, MDR 1994, 254 = CR 1994, 205 = VersR 1994, 319) handelt; dies schon deswegen, weil die Sachverhalte jeweils vergleichbar sind...