Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der "falschen Angaben" i. S. d. § 169 StGB.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 12.09.2006) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lünen hatte den Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 2. Dezember 2005 wegen gemeinschaftlicher Personenstandsfälschung sowie wegen gemeinschaftlichen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt. Gegen die frühere Mitangeklagte T. wurde wegen ihrer Beteiligung an diesen Taten und wegen unerlaubter Einreise ebenfalls eine Gesamtgeldstrafe verhängt. Sie hat das Urteil nicht angefochten.
Die von dem Angeklagten eingelegte Berufung hatte Erfolg. Das Landgericht Dortmund hat ihn in der Hauptverhandlung vom 12. September 2006 aus Rechtsgründen freigesprochen und dazu - was den Strafvorwurf angeht - zunächst Folgendes ausgeführt:
"Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 13.09.2005 ist dem Angeklagten vorgeworfen worden, gemeinsam mit der früheren Mitangeklagten T. den Personenstand eines anderen gegenüber einer zur Führung von Personenstandsbüchern führenden Behörde falsch angegeben zu haben, § 169 StGB, sowie unrichtige Angaben gemacht zu haben, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen, § 92 Abs. 2 Ziffer 3 AuslG a. F. Der Angeklagte soll kurz nach der Geburt des am 04.02.2003 geborenen Kindes V. der früheren Mitangeklagten T.gegenüber dem Standesamt Lünen wahrheitswidrig angegeben haben, er sei der Vater des Kindes. Daraufhin sei im Geburtenbuch der Stadt Lünen dieser falsche Personenstand des Kindes beurkundet worden. Tatsächlich sei der Angeklagte jedoch nicht der leibliche Vater des Kindes gewesen. Dieses habe er auch gewusst. Des weiteren habe am 23.05.2003 die frühere Mitangeklagte T. mit Wissen und Wollen des Angeklagten bei der Stadt Lünen eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt und hierbei bewusst wahrheitswidrig den Angeklagten als Vater ihres Kindes angegeben. Dadurch hätten die frühere Mitangeklagte T. und der Angeklagte erreichen wollen, dass der früheren Mitangeklagten T. eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird."
Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte den objektiven Tatbestand dieser Anklagevorwürfe zwar eingeräumt, sich jedoch bezüglich der subjektiven Tatseite abweichend dahingehend eingelassen habe, er sei "fest davon ausgegangen, der Erzeuger des Kindes zu sein". Erst durch das in dem vorliegenden Strafverfahren eingeholte Gutachten sei ihm bekannt geworden, dass er als Vater auszuschließen sei.
Nach Auffassung des Landgerichts konnte dahinstehen, ob diese Einlassung des Angeklagten zutrifft, weil auch für den Fall, dass der Angeklagte tatsächlich von Anfang an wusste, dass er nicht der Erzeuger des Kindes der früheren Mitangeklagten T. ist, ein strafbares Verhalten nicht festgestellt werden könne. Der Angeklagte habe keine "falschen Angaben" i. S. d. § 169 StGB gemacht, da er gem. §§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB aufgrund der Vaterschaftsanerkennung in rechtlicher Hinsicht Vater des Kindes der früheren Mitangeklagten T. geworden sei. Diese Anerkennung sei unabhängig davon wirksam, ob der Angeklagte der Erzeuger des Kindes sei. Selbst eine in dem Bewusstsein der Unrichtigkeit abgegebene Anerkennungserklärung sei vom Strafrecht als verbindlich anzuerkennen. Damit scheide aber auch eine Strafbarkeit nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a. F. aus, weil die von dem Willen des Angeklagten mitgetragene Erklärung der früheren Mitangeklagten T. gegenüber der Ausländerbehörde, der Angeklagte sei der Vater ihres Kindes, mit Blick auf die wirksame Vaterschaftsanerkennung nicht "unrichtig" i. S. d. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a. F. gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund.
Sie ist der Auffassung, der Angeklagte habe bei der Abgabe der Anerkennungserklärung konkludent erklärt, der Erzeuger des Kindes zu sein. Damit habe er vorsätzlich über seine biologische Vaterschaft getäuscht, denn er habe gewusst, dass er als Vater des Kindes nicht in Betracht komme. Dass es bei der Anerkennung auch auf die biologische Abstammung ankomme, zeige § 1599 BGB. Diese Vorschrift räume dem wahren Erzeuger die Möglichkeit ein, die Scheinvaterschaft anzufechten. Der Gesetzgeber habe mit Schaffung des § 1592 BGB auch nicht die Möglichkeit eröffnen wollen, auf evident rechtsmissbräuchliche Art und Weise die deutsche Staatsangehörigkeit für das anerkannte Kind bzw. einen Aufenthaltstitel für die ausländische Kindesmutter durch Vortäuschung der biologischen Abstammung zu erschleichen. Deshalb lasse die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung jedenfalls die Strafbarkeit nach § 92 II Nr. 2 AuslG a. F. unberührt. Der sich aus § 1592 BGB ergebende Wille des Gesetzgebers beschränke sich auf die K...