Leitsatz (amtlich)
Wird bei der Operation einer Oberschenkelfraktur nur eine ungenügende Reposition des Knochens erreicht, kann darin ein Behandlungsfehler liegen, wenn eine Rotationsinstabilität verbleibt.
Die höchste Maxime bei der Operation einer Bruchverletzung ist es, die Stabilität wiederherzustellen.
Kommt es zu einer operativen Fehlstellung des Bruches, ist der Patient umgehend auf diesen Umstand hinzuweisen. Der mangelnde Hinweis kann als grober Behandlungsfehler zu werten sein.
Normenkette
BGB §§ 280, 823 Abs. 1, § 253
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 09.12.2014; Aktenzeichen 5 O 27/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.12.2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Arnsberg wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das zuvor genannte Urteil abgeändert.
Die Beklagten zu 1) und 3) werden weiter verurteilt, über den titulierten Betrag von 7.500 EUR hinaus, ein weiteres Schmerzensgeld von 7.200 EUR zu zahlen.
Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 7/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 3/10.
Die Kosten der Berufungsinstanz tragen, mit Ausnahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2), die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner.
Die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Jahr 2013 auf Schmerzensgeld, Schmerzensgeldrente, Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht, Herausgabe der Krankenunterlagen sowie negative Feststellung zur Tragung von Behandlungskosten in Anspruch genommen.
Der am 13.1.19... geborene Kläger wurde am 12.3.2013 im T G Hospital in X, dessen Trägerin die Beklagte zu 1) und deren unfallchirurgischer Chefarzt der Beklagte zu 3) war, aufgenommen, nachdem er bei Glätte ausgerutscht und auf die rechte Hüfte gefallen war. Der Beklagte zu 2) war unfallchirurgischer Oberarzt. Bekannt war bei Aufnahme des Klägers eine zusätzliche Erkrankung an Diabetes Mellitus mit Polyneuropathie beider Füße und Zustand nach Zehenamputation links (2001) wegen einer Durchblutungsstörung.
Nach röntgenologischer Untersuchung wurde eine rechtsseitige körpernahe Oberschenkelspiralfraktur mit Abriss des kleinen Rollhügels (subtrochantere Mehrfragmentspiralfraktur) diagnostiziert. Noch am selben Tag erfolgte die osteosynthetische Versorgung der Fraktur. Die Osteosynthese wurde in Spinalanästhesie vorgenommen, die Fraktur intraoperativ geschlossen reponiert und auf dem Extensionstisch eine proximale Femurnagelung mit statischer Verriegelung durchgeführt.
In der postoperativen Aufwachphase wurde im Aufwachraum auf eine bekannte Gefühlsstörung des Fußes hingewiesen.
Am 13.3.2013 erfolgte eine postoperative Röntgenkontrolle. Ab diesem Tag wurde das rechte Bein des Klägers in einer AO-Schiene gelagert.
Die Pflegedokumentation beschrieb für den 14.3.2013 einen Dekubitus 2. Grades an der Ferse trotz Polsterung. Es wurde ein Schaumstoffverband angelegt und auf eine notwendige tägliche Kontrolle hingewiesen. Eine Dekubitus-Prophylaxe zweimal täglich wurde ab dem 16.3.3013 mittels Handzeichen dokumentiert.
Unter dem 27.3.2013 fand eine erneute Röntgenkontrolle statt. Die stationäre Behandlung des Klägers endete am 28.3.2013.
Am 8.4.2013 wurde der Kläger nach persistierenden Beschwerden stationär in der unfallchirurgisch-orthopädischen Abteilung des I-K-Krankenhauses in N I aufgenommen. Am 11.4.2013 wurde das Osteosynthesematerial entfernt und die Fraktur mittels langer DCP plus Trochanterabstützplatte versorgt. Des Weiteren wurde während des stationären Aufenthaltes ein Dekubitus an der rechten Ferse festgestellt und behandelt.
In der Zeit vom 21.5. bis 11.6.2013 erfolgte eine Rehamaßnahme in der Klinik am Z.
Der Kläger hat behauptet, die Reposition im Haus der Beklagten zu 1) sei fehlerhaft erfolgt. Der frakturierte Oberschenkelhalsknochen sei nicht ordnungsgemäß fixiert worden. Bei der Reposition sei versäumt worden, ein Fixationselement entlang der gebrochenen Knochenenden einzubauen. Außerdem seien fehlerhaft Nägel anstatt Schrauben verwendet worden. Schließlich sei ein im Operationsgebiet befindlicher Hauptnerv im hinteren Oberschenkel geschädigt bzw. durchgeschnitten worden. Aufgrund der fehlerhaften Operationsmaßnahmen habe in einer komplizierten Revisionsoperation eine Entfernung der drei Nägel und der Schraube erfolgen und eine Reposition und Neufixierung der Knochenenden erfolgen müssen. Trotz des bekannten Diabetes sei anschließend der Behandlung der rechten Ferse nicht genügend Beachtung geschenkt worden, mit der Folge eines eingetretenen Fersen-Dekubitus. Die operative Nachbehandlung sei von dem Beklagten zu 2) durchgeführt worden, welcher auch die Operation selbst durchgeführt habe. Angesichts der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen...