Leitsatz (amtlich)
Ob ein Sachmangel eine unerhebliche Pflichtverletzung darstellt, die den Käufer gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht zum Rücktritt berechtigt, richtet sich im Wesentlichen danach, ob und welchem Maß die Verwendung der Kaufsache gestört und/oder ihr Wert gemindert ist. Danach liegt keine unerhebliche Pflichtverletzung vor, wenn ein Bestattungsfahrzeug aufgrund zu geringer Bodenfreiheit aufsetzt und deshalb weder verkehrssicher noch zulassungsfähig ist, obwohl der Mangel durch Einbau eines automatischen Niveausausgleichs oder Stoßdämpfern behoben werden kann.
Normenkette
BGB § 323 Abs. 5 S. 2, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; HGB § 377 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 13.07.2009; Aktenzeichen 21 O 38/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.7.2009 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen - 21. Zivilkammer - des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Bestattungsfahrzeug.
Im März 2007 stieß die Klägerin - ein Bestattungshaus - bei ihrer Suche nach einem Händler, welcher ihr einen zu erwerbenden Neuwagen umgebaut in ein Bestattungsfahrzeug veräußern könne, auf die Beklagte. Ob sich die Klägerin dabei von Anfang an für den Umbau des neuen Ford Mondeo, welcher erstmals am 8.3.07 auf dem Genfer Automobilsalon vorgestellt worden war, oder aber zunächst für einen Mercedes Benz im "Stylo-Design" interessierte, ist streitig. Nach telefonischer Kontaktaufnahme übersandte die Beklagte der Klägerin am 20.3.2007 erste Informationen. Am 24.3.2007 fanden mehrstündige Vertragsverhandlungen der Geschäftsführer der Parteien am Sitz der Klägerin in H statt. Da zu diesem Zeitpunkt das neueste Modell des Ford Mondeo noch nicht verfügbar und dieses Modell zuvor noch nie in einen Bestattungswagen umgebaut worden war, orientierten sich die Parteien bezüglich der Ausstattung am Mercedes der E-Klasse sowie einem Vorabdruck der Ausstattungsliste des neuen Mondeo (Stand 14.2.2007), der die vorläufigen technischen Daten enthielt. Darin wurden verschiedene Ausstattungsvarianten mit Textmarker und Kugelschreiber markiert. Ob und welche Ausstattungsmerkmale dabei verbindlich vereinbart wurden, ist streitig.
Im Anschluss daran bestellte die Klägerin einen Ford Mondeo nebst Umbau zum Bestattungswagen. Ob der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass der Umbau des Wagens in Spanien erfolgen sollte, ist streitig.
Der Kaufpreis belief sich auf 65.000 EUR netto. Handschriftlich vermerkt wurde in dem Kaufvertrag "Basisfahrzeug mit Stylo oder Osirisfenster nach technischer Machbarkeit". In den Vertrag waren die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der Beklagten einbezogen. Unter anderem heißt es:
"Der Mondeo ist von Ford eine neue Version. Der geplante Umbau und die Planung beruhen auf dem Gutachten des bisherigen Mondeo. Diese Erstfertigung des Basis-Fahrzeuges und die gewünschte erstmalige Änderung am Design bedingen immer Toleranzen. [...]
Treten vor Produktionsbeginn rechtliche und technische sowie stark verteuernde Risiken ein, tritt ein Ersatzauftrag in Kraft. Beide Parteien wirken an der Verwirklichung des ursprünglichen Auftrages mit. [...]
Die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, der technischen Möglichkeit, Berücksichtigung der technischen Entwicklung des Basis-Fahrzeuges können in der Fertigung zu sofortigen Entscheidungen führen. Jegliche Änderung dieser Art gilt als vom Kunden mitbestellt."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Kaufvertrages verwiesen, der von der Beklagten unter dem 25.3.2007 bestätigt wurde.
Am 27.3.2007 teilte die Beklagte der Klägerin per Email mit, dass Ford einen Liefertermin prüfe, nachdem die Zeit bis zu einer Fachmesse Ende September 2007, an der der Wagen teilnehmen sollte, sehr knapp werde. Unter dem 17.4.2007 stellte die Beklagte den Kaufpreis in Rechnung. Die Rechnung war adressiert an die Klägerin, sollte allerdings im Falle des Eintritts eines Leasinggebers storniert werden.
Am 19.4.2007 schloss die Klägerin mit der M GmbH einen Leasingvertrag über den Bestattungswagen. Hiernach war die Klägerin zu einer Leasingsonderzahlung i.H.v. 23.800 EUR brutto sowie zur Zahlung von 64 Monatsraten i.H.v. 696,15 EUR brutto verpflichtet. Grundlage waren die Leasingbedingungen der M GmbH. Dort ist unter Ziff. 6 die Abtretung der Gewährleistungsansprüche der Leasinggeberin an die Leasingnehmerin vereinbart. Am 26.4.2007 trat die Leasinggeberin in die "Bestellung" der Klägerin ein.
Am 31.5.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ein Fahrzeug exakt wie beschrieben nicht vor Dezember 2007 bekommen könne, jedoch in ...