Leitsatz (amtlich)
›1. Der Führer einer Straßenbahn haftet nur bei einem nachgewiesenen Verschulden, weil gem. § 1 Abs. 2 StVG das Straßenverkehrsgesetz auf eine Straßenbahn keine Anwendung findet und das HPflG eine § 18 Abs. 1 StVG vergleichbare Haftung des Fahrzeugführers nicht vorsieht.
2. Ein Anscheinsbeweis dahin, dass ein Auffahren unter schuldhafter Verletzung des § 4 Abs. 1 StVO vorliegt, greift nicht ein, wenn es unbewiesen bleibt, dass ein Fahrzeug auf das andere auffuhr, sondern es auch möglich ist, dass ein Fahrzeug beim Zurückrollen gegen das andere stehende Fahrzeug stieß.
3. Haftungsverteilung von 1/2 zu 1/2 zwischen Straßenbahn und Pkw, wenn es ungeklärt bleibt, ob die Straßenbahn beim Zurückrollen gegen den verkehrsbedingt haltenden Pkw stieß oder der Pkw auf die stehende Straßenbahn auffuhr.
4. § 12 Abs. 4 S. 5 StVO findet keine Anwendung, wenn das Kraftfahrzeug verkehrsbedingt auf den Gleisen anhalten oder warten muss.‹
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 6 O 243/00) |
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 593 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet. Dagegen haben die Berufung der Beklagten zu 2) sowie die Anschlußberufung des Klägers keinen Erfolg.
I.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1) kein Anspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 StVO auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Unfallereignisses vom 1999 auf der in B zu.
Denn der Kläger hat nicht bewiesen, daß der Unfall durch ein schuldhaftes Handeln des Beklagten zu 1) herbeigeführt wurde.
1.
Der Führer einer Straßenbahn haftet nur dann, wenn der Anspruchsteller ein schuldhaftes Handeln bewiesen hat. Denn § 18 Abs. 1 StVG findet keine Anwendung, weil gem. § 1 Abs. 2 StVG eine Straßenbahn nicht ein Kraftfahrzeug im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes darstellt. Maßgeblich ist somit allein das Haftpflichtgesetz (HPflG), welches eine § 18 Abs. 1 StVG vergleichbare Haftung des Fahrzeugführers nicht vorsieht.
2.
Der Kläger vermochte nicht zu beweisen, daß die Straßenbahn zurückrollte und hierdurch die Beschädigung an seinem Kraftfahrzeug verursacht wurde.
a)
Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, daß sowohl die vom Kläger behauptete Unfallversion als auch die der Beklagten zutreffend sein kann. Er hat ausgeführt, daß nach den durchgeführten Untersuchungen ein Zurückrollen der Straßenbahn im Bereich der Unfallstelle möglich sei, welches zu den in Rede stehenden Beschädigungen am Taxi hätte führen können. Es sei aber auch genauso gut möglich, daß das Taxi gegen die stehende Straßenbahn gefahren sei.
b)
Die vernommenen Zeugen haben den vom Kläger behaupteten Unfallablauf nicht bestätigt.
Die beiden Fahrgäste, die Zeuginnen S und H waren nach ihren Aussagen abgelenkt und haben deshalb das Verkehrsgeschehen nicht beobachtet. Die Zeugin S hat bekundet, daß die vom Beklagten zu 1) geführte Straßenbahn nicht zurückgerollt sei.
II.
Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 % einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) i.H.v. 7.195,15 UM gem. §§ 1 Abs. 1 HPflG, 299 BGB für begründet erachtet.
Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte zu 2) den Unabwendbarkeitsbeweis gem. § 1 Abs. 2 S. 2 HPflG nicht geführt; es liegt ein ungeklärter Verkehrsunfall vor, bei dem eine ausgeglichene Haftungsverteilung im Rahmen der Abwägung der von den unfallbeteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren gem. § 17 Abs. 1 StVG angemessen ist.
1.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme begründet keine Überzeugung zugunsten der Beklagten zu 2).
a)
Wie bereits vorangehend dargelegt, sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen beide Unfallversionen technisch möglich.
b)
Die Zeugin S konnte keine sachdienlichen Angaben zum Unfallablauf machen.
Soweit die Zeugin H zu Protokoll gegeben hat, sie meine, aus den Augenwinkeln gesehen zu haben, daß die Straßenbahn angefahren sei, kommt der Aussage kein entscheidender Beweiswert zu. Die Zeugin hat zu diesem Teil ihrer Aussage einschränkend angegeben, daß sie sich nicht sicher sei. Zudem ist denkbar, daß die Zeugin nur einen Teil des Geschehens, nämlich das Anfahren der Straßenbahn und nicht ein mögliches anschließendes Zurückrollen beobachtet hat.
Zwar hat die Zeugin S bekundet, die vom Beklagten zu 1) geführte Straßenbahn sei nicht zurückgerollt. In Übereinstimmung mit dem Landgericht vermag der Senat jedoch der Aussage nicht zu folgen. Die Zeugin ist mit der von ihr geführten Straßenbahn an der unfallbeteiligten Straßenbahn vorbeigefahren. Unstreitig handelt es sich bei den Unfallörtlichkeiten um eine belebte Stelle, die die ganze Aufmerksamkeit eines Fahrzeugführers beansprucht. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß schon ein Zurückrollen über eine geringe Wegstrecke ausreiche, um die Beschädigungen am Taxi hervorzurufen. Nach alledem kann nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Zeugin ein mögliches Zurückrollen der Straßenbahn nicht bemerkte.
c)
Ei...