Leitsatz (amtlich)
Entspringt die Beschleunigung eines Grillfeuers mit flüssigem Brennspiritus zunächst einem gemeinsamen Plan mehrerer daran beteiligter Jugendlicher, führt das gefährliche Tun (Ingerenz) zu einer haftungsbegründenden Verpflichtung, diesem auf diese Weise geschaffenen Gefahrenrisiko für sämtliche Beteiligte aktiv entgegen zu wirken.
Erleidet einer der am Grillvorhaben Beteiligten durch den Spiritus schwere Brandverletzungen, muss sich der Verletzte ein Mitverschulden entgegen halten lassen; die Übrigen haften als fahrlässige Nebentäter dem Geschädigten auf Ersatz. Dabei bilden die Nebentäter eine Haftungseinheit.
Ein Haftung aus Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe i.S.v. § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB scheidet bei fehlendem Vorsatz aus.
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 28.04.2008; Aktenzeichen 2 O 336/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das am 28.4.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Siegen abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.489,45 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.3.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers I innerhalb eines ihrer Ansicht nach bestehenden Gesamtschuldverhältnisses zwischen I und dem Beklagten auf Ausgleich in Anspruch.
Am 29.3.2005 wollten die damals zwischen 14 und 17 Jahre alten Jugendlichen I, S, L1, F - dass auch F an disem Tag dabei war, ist in der Berufungsinstanz unstreitig geworden - und der Beklagte hinter dem Bahndamm in L gemeinschaftlich grillen. Zwecks Beschleunigung des Feuers entschloss man sich dazu, eine Flasche flüssigen Brennspiritus zu besorgen, was durch S und L1 geschah. Ein erster Schuss Spiritus in die Feuerstelle durch einen der Jugendlichen zeigte nicht die gewünschte Wirkung. Sodann griff sich I die Spiritusflasche und schüttete erneut Spiritus in das Feuer, was zu einer großen Stichflamme führte. I ließ die Spiritusflasche zu Boden fallen, dabei benetzten einige Tropfen Spiritus die Kleidung des L1. Dessen Kleidung entzündete sich und L1 erlitt schwere Brandverletzungen. Die dafür anfallenden Heilbehandlungskosten des L1 belaufen sich bisher auf 27.915,55 EUR.
Der Krankenversicherer des L1 hat die Klägerin als Haftplichtversicherer des I auf Ausgleich von ¾ der Heilbehandlungskosten in Anspruch genommen, wobei man zu diesem Zeitpunkt übereinstimmend davon ausging, dass F am 29.5.2005 nicht dabei war und also nur vier Jugendliche am Grillen beteiligt waren. Auf diese Aufforderung hat die Klägerin einen Betrag i.H.v. ¾ der Heilbehandlungskosten - dies sind 20.936,66 EUR - an den Krankenversicherer des L1 bezahlt. Inzwischen hat der Haftpflichtversicherer des S der Klägerin ¼ und also 6.978,89 EUR erstattet.
In dieser Höhe begehrt die Klägerin nunmehr auch von dem Beklagten Ausgleich der an den Krankenversicherer des L1 geleisteten Zahlung. Sie meint, der Beklagte hafte als Gesamtschuldner mit I und S dem L1 auf Ersatz von ¾ seiner Heilbehandlungskosten, weil er zusammen mit I und S den Schaden des L1 fahrlässig verursacht hätten, indem er sich gemeinschaftlich mit diesen dazu entschlossen hätte, das Feuer mit Spiritus zu beschleunigen. Im Übrigen hätte auch der Beklagte den I noch unmittelbar vor dem Unfall dazu angefeuert, weiteren Spiritus in das Feuer zu schütten, so dass ihm in jedem Fall eine Tatbeteiligung an der Körperverletzung des L1 anzulasten sei.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.978,89 EUR nebst Zinsen in Höhel von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.3.2006 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, dass ihm bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin keine Beteiligung an der Körperverletzung des L1 i.S.d. § 830 BGB anzulasten sei, weil Voraussetzung hierfür ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mit I zur Herbeiführung der Körperverletzung sei, die Klägerin selbst ihm aber nur Fahrlässigkeit anlaste. Darüber hinaus hat der Beklagte in Abrede gestellt, den I zum weiteren Anfeuern mit Spiritus ermuntert zu haben und vielmehr behauptet, sowohl er als auch der S hätten versucht, den I von dem weiteren Hantieren mit Spiritus abzuhalten, was ihnen jedoch nicht gelungen sei, weil I auf ihre Ansprache nicht reagiert habe.
Das LG hat nach Anhörung des Beklagten, Vernehmung der Zeugen I, L1, S und F die Klage abgewiesen. Eine Beihilfehandlung des Beklagten zu der Körperverletzung des L1 durch den I i.S.d. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an dem mangelnden Vorsatz des Beklagten; fahrlässige Beihilfe gebe es nicht. Auch die Voraussetzungen des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB seien nicht erfüllt, denn es stehe fest, dass I dem L1 auf den vollen Schaden hafte, während die Verursachung durch den Beklagten nur möglich s...