Leitsatz (amtlich)
Zum Haftungsmaßstab in Bezug auf deliktische Verhaltenspflichten der Eltern zum Schutz der Gesundheit des Kindes, insbesondere zu der Beachtung von Sorgfaltsanforderungen beim Grillen.
Normenkette
BGB §§ 277, 823, 1664
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 05.06.2013; Aktenzeichen 12 O 442/12) |
Tenor
Die Berufung gegen das am 5.6.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers B I auf Ausgleich in Anspruch innerhalb eines ihrer Ansicht nach bestehenden Gesamtschuldverhältnisses wegen eines Grillunfalls vom 26.4.09, bei dem der damals 6-jährige Sohn der Beklagten schwere Brandverletzungen erlitt.
Die Klägerin zahlte als Haftpflichtversicherer bisher für ihren Versicherungsnehmer unstreitig einen Betrag von 47.021,14 EUR auf Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche des geschädigten D B. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von der Beklagten Erstattung der Hälfte der von ihr erbrachten Zahlungen sowie Feststellung der hälftigen Einstandspflicht der Beklagten im Hinblick auf zukünftige Schadensersatzleistungen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, mit dem das LG die Klage abgewiesen hat. Begründet hat es dies damit, dass der Klägerin kein Anspruch im Rahmen eines deliktischen Gesamtschuldnerausgleichs gem. §§ 840 Abs. 1, 426 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zustehe. Denn es bestehe keine deliktische Haftung der Beklagten gegenüber ihrem Sohn. Es fehle bereits an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen dem Unterlassen der Beklagten, ihren Sohn in einen größeren Abstand zum Feuerkorb zu verweisen, nachdem sie vorher den Brennspiritus bereitgestellt hatte, und der Schädigung des Verletzten. Der erforderliche Adäquanzzusammenhang sei nicht gegeben. Denn der Sohn der Beklagten sei nicht verletzt worden sei, weil er infolge einer möglicherweise unzureichenden Verweisung durch die Beklagte zu nah am Feuerkorb gestanden hätte. Vielmehr sei es zu der Verletzung infolge eines vollkommen atypischen, gänzlich unwahrscheinlichen Kausalverlaufs gekommen.
Auch bei unterstellter Kausalität hafte die Beklagte nicht mangels Verschuldens. Denn zu ihren Gunsten greife der Haftungsmaßstab des §§ 1664 Abs. 1, 277 BGB, wonach sie nur für eigenübliche Sorgfalt hafte. Aufgrund dieses Privilegs wachse sie als schädigender Elternteil schon nicht in eine Gesamtschuld hinein. Sie habe weder die eigenübliche Sorgfalt verletzt noch grob fahrlässig gehandelt. Die eigenübliche Sorgfalt habe sie schon deswegen nicht verletzt, weil die Verwendung von Spiritus in ihrem Haushalt üblich gewesen sei und sie selbst so nah am Feuerkorb gestanden habe, dass sie leichte Brandverletzungen durch die Stichflamme erlitten habe.
Sie habe auch nicht grob fahrlässig gehandelt. Denn sie habe ihren Sohn angewiesen, sich in einer bestimmten Entfernung vom Feuerkorb aufzuhalten. Er sei dort auch nicht unmittelbar von der Stichflamme erreicht worden.
Die Verwendung von Spiritus als solches sei nicht vorwerfbar, da es bei sachgerechtem Umgang möglich und nicht ganz unüblich sei, Spiritus zum Entzünden eines Grills zu nutzen.
Schließlich trete jedenfalls bei Abwägung der Verschuldensbeiträge ihr Beitrag völlig hinter dem deutlich schwerer wiegenden Verschulden des B I zurück.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt.
Die Ausführungen des LG seien rechtsfehlerhaft und in sich widersprüchlich. Das LG habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagten auch der Vorwurf zu machen sei, selbst einen zu großen Abstand zu ihrem Sohn bei der Verwendung der Spiritusflasche eingenommen zu haben, so dass insbesondere bei Entwicklung der Stichflamme ihr kein sofortiges Eingreifen zum Schutz ihres Sohnes vor unbedachten Reaktionen möglich gewesen sei. Das LG habe rechtsfehlerhaft eine haftungsbegründende Kausalität verneint. Eine Adäquanz sei nur bei gänzlich unwahrscheinlichen Kausalverläufen zu verneinen. Der tatsächlich eingetretene Schädigungserfolg sei hier aber keineswegs so ungewöhnlich, dass damit nicht zu rechnen gewesen wäre. Das LG habe auch verkannt, dass eine adäquate Kausalität nicht dadurch entfalle, dass sich eine mögliche, insbesondere auch im Allgemeinen bestehende Gefahr im konkreten Einzelfall auf ungewöhnliche Weise v...