Verfahrensgang
LG Arnsberg (Entscheidung vom 05.04.2002; Aktenzeichen 1 O 337/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das am 5. April 2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg teilweise abgeändert.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Verurteilung als Gesamtschuldner an den Kläger zu 2) ein Schmerzensgeld von insgesamt 500.000,-- Euro (in Worten: Euro fünfhunderttausend) nebst 4 % Zinsen seit dem 16.09.1999 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten zu 1) und 2) dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Berufungsbeklagte zu 1) (ehemalige Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Berufungsbeklagte zu 1) ist die Mutter des Klägers zu 2). Sie begab sich am 26.09.1997 zur Geburt in das N-Krankenhaus X-X, dessen Träger die Beklagte zu 1) ist. Die Beklagte zu 2) war zur damaligen Zeit als Assistenzärztin im 5. Ausbildungsjahr an der Geburt beteiligt. Für die Berufungsbeklagte zu 1) war es die 3. Geburt. Sie hatte bereits in den Jahren 1988 und 1991 jeweils Kinder im Wege der sogenannten Spontangeburt entbunden. Eingewiesen wurde die Berufungsbeklagte zu 1) durch ihren Frauenarzt wegen einer diagnostizierten Gestose.
Am 28.09.1997 wurde die Berufungsbeklagte gegen 17.30 Uhr nach Blasensprung in das Kreißbett verbracht. Diensthabende Hebamme war zu diesem Zeitpunkt die Zeugin K3. Der Hebammenwechsel erfolgte gegen 19.00 Uhr. Im Geburtsprotokoll ist u. a. folgendes eingetragen:
18.00 (...) MM 8 cm, (...) guter Geb.-Fortschritt ( PDA Pat. sitzt auf dem PC Ball 18,35 Mm 9 cm, Mm straff 18.50 1 Amp Buscopan i.v. 19.00 Pat. preßt im liegen etwas mit; Kopf tritt kaum tiefer fest in BE MM (19.10 Pat sitzt auf dem Hocker + preßt; Kopf kommt bis BM, HT's unauff. 19.30 erneute Umlagerung ins Bett; Mit Kristellerscher Hilfe Kopf BM, rutscht nach der Wehe wieder hoch 19.35 Anhängen Syntotropf 60 ml/h. z.Zt. kaum noch Wehentätigkeit 19.45 kl. Fontanelle 1 schräger DM, aber noch wieder hinter de. Symphyse Info Dr. M 19.50 Pat. bekommt trotz Syntotropf keine Wehen, V. a. Uterusruptur, WT aus ..." 19.55 Pat. gibt weiter Schmerzen im Oberbauch an. 3 ml Partusisten ..."
Letztlich stellte sich ein regelrechter Geburtsverlauf nicht ein, so daß die Beklagte zu 2) um 19.45 Uhr den diensthabenden Oberarzt, den ehemaligen Beklagten zu 3), informierte, der eine Sectio anordnete. Grund hierfür war der sich später bestätigte Verdacht auf eine Uterusruptur.
Der Kläger zu 2) wurde ausweislich des Geburtsprotokolls um 20.15 Uhr entwickelt. Er war schlaff und wurde weiter an den anwesenden Anästhesisten übergeben. Der Apgarwert wurde mit 2/5/7 notiert. Nach dem Geburtsprotokoll wurde der Kläger zu 2) intubiert und den dazugerufenen Kinderärzten übergeben. Ausweislich des Transportprotokolls der Kinderabteilung im L-Hospital J erfolgte die Anforderung des Kinderärzteteams um 20.18 Uhr. Die Ankunft im Hause der Beklagten zu 1) ist für 20.38 Uhr notiert.
Nach der Entwicklung des Kindes wurde die Berufungsbeklagte zu 1) hysterektomiert. Die pathologische Untersuchung des Uterus ergab einen Myomknoten.
Der Kläger zu 2) erlitt eine schwerste hypoxisch-ischämische Enzephalopathie mit Muskeltonusstörungen, Ernährungsstörungen nach erosiver Gastritis und zerebrale Krampfanfälle. Der Kläger zu 2) ist heute schwerst geschädigt.
Die Berufungsbeklagte zu 1) und der Kläger zu 2) haben erstinstanzlich behauptet, die Geburtsleitung sei fehlerhaft erfolgt. Die Uterusruptur sei zu spät erkannt worden. Der Kristellersche Handgriff sei kontraindiziert gewesen. Dokumentation und CTG-Überwachung seien lückenhaft und dürftig; auf die Schmerzhinweise der Berufungsbeklagten zu 1) sei nicht hinreichend eingegangen worden. Das Kinderärzteteam des L-Krankenhauses in J sei zu spät informiert worden, wodurch sich der Schaden des Klägers zu 2) verstärkt habe. Die Gebärmutterentfernung sei nicht erforderlich gewesen.
Die Berufungsbeklagte (ehemalige Klägerin zu 1)) und der Kläger zu 2) haben beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 16.09.1999 bis zum 31.05.2000 sowie in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2000 zu zahlen, sowie
festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin zu 1) jeglichen Schaden zu erstatten, der ihr aus dem fehlerhaften Geburtsmanagement der Beklagten vom 28.09.1997 noch entstehen wird,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger zu 2) zu Händen seiner Eltern ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 4 % vom 16.09.1999 bis 31.05.2000 sowie in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz sei...