Leitsatz (amtlich)

Wird ein Gynäkologe aufgrund einer Überweisung des primär behandelnden Hausarztes tätig, so ist er grundsätzlich nur zur Abklärung seines Fachgebietes verpflichtet. Wird der Gynäkologe ohne Überweisung tätig, ist er selbst Primärbehandler und deshalb zur umfassenden ärztlichen Betreuung - gegebenenfalls durch Überweisungen an Ärzte anderer Fachrichtungen, hier an einen Urologen - verpflichtet. Insoweit genügt er dieser Verpflichtung, wenn er die Patientin zur Kontrolle nach der Durchführung der anderweitigen Untersuchungen wiedereinbestellt. Ohne Anhaltspunkte für gravierende Erkrankungen ist er dagegen nicht verpflichtet, weiter gehend auf die Patientin einzuwirken, wenn diese nicht erscheint.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 280, § 249 ff.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 08.05.2012; Aktenzeichen 4 O 331/10)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 8.5.2012 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden den Klägern auferlegt.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren als Rechtsnachfolger der am 7.10.2010 verstorbenen Frau u dem Beklagten wegen vermeintlicher ärztlicher Behandlungsfehler in der Hauptsache die Zahlung eines mit mindestens 30.000 EUR für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes und den Ersatz materiellen Schadens i.H.v. 12.789,95 EUR.

Frau u, die sich mit der Verdachtsdiagnose Gastroenteritis in hausärztlicher Behandlung der Dres. C2/Briel befand, begab sich in dem Zeitraum vom 15.-18.10.2007 in die gynäkologische Behandlung des Beklagten, u.a., um von diesem die bei ihr bestehenden Unterleibsschmerzen abklären zu lassen. Der Beklagte führte gynäkologische Untersuchungen durch und überwies die Patientin sodann zum Urologen Dr. T. Dieser konnte urologische Ursachen nicht erkennen und riet in einem an den Beklagten und an die Hausarztpraxis gerichteten Arztbrief vom 29.10.2007 zu einer weiteren Darmabklärung. Die Patientin stellte sich bei dem Beklagten nicht wieder vor; eine Darmspiegelung erfolgte zunächst nicht. Erst im April 2008 wurde aufgrund sich steigernder Schmerzen eine Darmspiegelung durchgeführt, in deren Folge ein Adenokarzinom des Colon sigmoideum festgestellt wurde. Diese Erkrankung führte zum Tod der Patientin.

Die Kläger haben erstinstanzlich insbesondere geltend gemacht, dass der Beklagte fehlerhaft weiter gehende Untersuchungen durch CT/MRT beziehungsweise Darmspiegelung unterlassen habe. Sie haben behauptet, dass bei fachgerechtem Vorgehen das Karzinom festgestellt worden und eine vollständige Heilung möglich gewesen wäre.

Das LG hat die Klage nach Parteianhörung und Beweiserhebung durch gynäkologische Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Teichmann abgewiesen.

Die Kläger hätten das Vorliegen von Behandlungsfehlern nicht bewiesen. Der Beklagte habe sämtliche Untersuchungen an der Patientin durchgeführt, die notwendig gewesen seien, Erkrankungen aus dem gynäkologischen Fachgebiet auszuschließen.

Überdies habe er durch die Überweisung an den Urologen ausreichend auch andere Fachgebiete zu Abklärung der Beschwerden einbezogen. Dass diese Überweisung geschehen sei, ergebe sich zum einen aus den Krankenunterlagen des Beklagten und zum anderen aus dem Umstand, dass tatsächlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang urologische Untersuchungen erfolgt seien.

Darüber hinaus sei durch den entsprechenden Eintrag in den Krankenunterlagen belegt, dass der Beklagte die Patientin auch zur Kontrolle wieder einbestellt habe. Dass der Eintrag erst nachträglich eingefügt worden sei, hätten die Kläger nicht bewiesen.

Sodann habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die eigentliche Behandlungsführung durch den Hausarzt übernommen werde. Dagegen sei es nicht seine Pflicht gewesen zu kontrollieren, ob die Patientin die weiteren Arztbesuche tatsächlich durchführte.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Sie machen weiterhin geltend, dass der Beklagte eine hinreichende Aufklärung der Ursachen der Beschwerden nicht vorgenommen habe. Dass er die Patientin zum Urologen überwiesen habe, sei unstreitig. Es sei aber darüber hinaus eine gastroenterologische Abklärung erforderlich gewesen, die fehlerhaft nicht erfolgt sei.

Überdies habe sich der Beklagte über das Ergebnis der anderweitigen Untersuchungen informieren müssen. Das sei nicht geschehen. Die Kläger verbleiben insoweit dabei, dass der Hinweis auf die Aufforderung zur Kontrolle ausweislich der anderen Kugelschreiberfarbe erst nachträglich in die Krankenunterlagen eingefügt worden sei. Deshalb habe die Eintragung zumindest einen geringeren Beweiswert. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers zum Gesundheitsbewusstsein seiner Mutter und deren regul...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?