Leitsatz (amtlich)
1.) Fällt bei einem schweren Unwetter eine Pumpenanlage aus, die Oberflächenwasser unterhalb des Geländeniveaus abpumpen soll und nur über Baustrom gesichert ist und kommt es dadurch zu einem Wassereinbruch in einer nahezu fertig gestellten Turnhalle, dann hätten die eingetretenen Schäden mit dem erforderlichen Fachwissen vorausgesehen werden können (§ 2 Nr. 1 ABN 2008).
Der Versicherer ist in diesem Fall zu einer Leistungskürzung wegen grober Fahrlässigkeit zu 50 % berechtigt.
2.) Redundante Anlagen zur Wasserhaltung i.S.d. § 2 Nr. 4d ABN 2008 sind nur solange einsatzbereit zu halten, wie eine Baugrube besteht.
Eine nahezu fertig gestellte Turnhalle, deren Eingangs- und Hallenbereich unterhalb des übrigen Geländeniveaus liegt, wird von dieser Klausel nicht erfasst.
3.) Zu den Voraussetzungen, unter denen von der Möglichkeit der Schadensschätzung gem. § 287 ZPO Gebrauch gemacht werden kann.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen 5 O 183/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 9.2.2011 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.549,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.2.2010 sowie weitere 929 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.7.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen weiteren Schäden zu 20,5 % freizustellen, die dieser aufgrund des Wasserschadens vom 9.8.2009 in der Sporthalle der I Schule künftig noch entstehen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Klägerin macht aus Anlass eines Schadensfalls vom 9.8.2009 Entschädigungsleistungen aus einer bei dem Beklagten für den Bau eines Schulzentrums einschließlich Turnhalle in H (Auftragsvolumen rund 17 Mio. EUR netto) abgeschlossenen Bauleistungsleistungsversicherung geltend, der u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Bauleistungsversicherung durch Auftraggeber (ABN 2008) zugrunde liegen. Die Versicherung war von 2 Versicherern gezeichnet, nämlich dem Beklagten als führendem Versicherer zu 41 % und der A als beteiligter Gesellschaft zu 59 %.
§ 2 Nr. 1 ABN 2008 lautet:
"Versicherte Gefahren und Schäden
Der Versicherer leistet Entschädigung für unvorhergesehen eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen von versicherten Sachen (Sachschaden).
Unvorhergesehen sind Schäden, die der Auftraggeber oder die beauftragten Unternehmen oder deren Repräsentanten weder rechtzeitig vorhergesehen haben, noch mit dem jeweils erforderlichen Fachwissen hätten vorhersehen können, wobei nur grobe Fahrlässigkeit schadet und diese den Versicherer dazu berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen."
In § 2 Nr. 4 ABN 2008 heißt es u.a.:
"Nicht versicherte Gefahren und Schäden
Der Versicherer leistet ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen keine Entschädigung für Schäden
a) (...)
b) durch normale Witterungseinflüsse, mit denen wegen der Jahreszeit und der örtlichen Verhältnisse gerechnet werden muss; (...)
c) (...)
d) durch nicht einsatzbereite oder ausreichend redundante Anlagen zur Wasserhaltung; redundant sind die Anlagen, wenn sie die Funktion einer ausgefallenen Anlage ohne zeitliche Verzögerung übernehmen können und über eine unabhängige Energieversorgung verfügen;
(...)"
Der Auftrag der Klägerin zur Errichtung eines Schulzentrums in H umfasste u.a. die schlüsselfertige Erstellung einer Turnhalle, die zum Teil unterhalb des sie umgebenden Geländeniveaus liegt und die u.a. über eine im Außenbereich befindliche abschüssige Rampe zugänglich ist. Alle unter Erdgleiche ausgeführten Bauteile sind zum Schutz vor dem Eindringen von Grund- und Oberflächenwasser als sog. "weiße Wanne" ausgeführt. Die Betonsohlen wurden zusätzlich mit einer sog. "schwarzen Wanne" versehen. Die ebenfalls als Betonkonstruktion wasserdicht ausgeführte, zum (Außen-)Eingang der Turnhalle führende Außenrampe ist nicht überdacht. Hier auftreffendes Oberflächenwasser wird über Gitterrostrinnen aufgefangen und in einen Pumpenschacht eingeleitet, der sich an der Kopfseite der Rampe befindet. Seit Fertigstellung des Objekts wird das sich im Pumpenschacht sammelnde Oberflächenwasser - entsprechend der Planungsvorgaben - mittels einer fest installierten und mit einer Zentralüberwachung ausgestatteten Pumpenanlage in einen Regensiel abgepumpt.
Zum Zeitpunkt des Schadensfalls am 9.8.2009 stand das Gebäude einschließlich der Turnhalle u...