Leitsatz (amtlich)
1. a) Die Regelung in der Satzung einer GmbH, wonach die Geschäftsführer für den Abschluss einzelner Rechtsgeschäfte die Zustimmung aller Gesellschafter einzuholen haben, ist dahin auszulegen, dass jedem Gesellschafter ein individuelles Sonderrecht auf Zustimmung eingeräumt wird. Dies gilt gleichermaßen für Beschlüsse zur Änderung dieser Klausel.
b) Eine entsprechende Beschlussfassung, der ein Gesellschafter nicht zugestimmt hat, fehlt ein Wirksamkeitserfordernis mit der Folge, dass der Beschluss unwirksam ist.
c) Die Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses erfolgt im Wege der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Diese ist nicht fristgebunden.
2. Bei der Klage auf Anfechtung eines GmbH-Gesellschafterbeschlusses gilt die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG als Maßstab. Die Anfechtungsfrist beginnt bei in Abwesenheit des klagenden Gesellschafters gefassten Beschlüssen, die ihm nicht zeitnah mitgeteilt werden, spätestens nach Ablauf einer Erkundigungsfrist von ca. 2 Wochen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gesellschafter Kenntnis von der Versammlung und ihrer Tagesordnung hatte.
Normenkette
GmbHG §§ 53, 47 Abs. 4; AktG §§ 241, 246; ZPO § 256
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 26.11.2014; Aktenzeichen 10 O 21/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.11.2014 verkündete Urteil des LG Dortmund teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30.12.2013, wonach
* § 5d) des Gesellschaftsvertrages der Beklagten abgeändert worden ist und folgende Fassung erhalten hat:
"Im Innenverhältnis wird vereinbart, dass die Geschäftsführer in jedem Fall zum Abschluss der nachfolgenden Rechtsgeschäfte die vorherige Zustimmung der Gesellschafter einzuholen haben:
aa. Abschluss und Kündigung von Anstellungsverträgen mit einem Jahresbruttogehalt von mehr als 75.000,00 EUR;
bb. Erteilung und Widerruf von Prokuren, Handlungsvollmachten, Spezialvollmachten und dergleichen;
cc. Erwerb und Veräußerung von Grundstücken jeder Art;
dd. Kreditgewährung jeder Art;
ee. Darlehensaufnahmen jeder Art;
ff. Eingehen von Wechselverpflichtungen und Annahmen von Wechseln;
gg. Übernahme von Bürgschaften jeder Art";
* die Gesellschafterversammlung die Erklärungen der Geschäftsführer, mit denen dem derzeit von der Gesellschaft beschäftigten Personal die aktuellen Gehälter und Bezüge gewährt worden sind, genehmigt hat,
unwirksam sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin ist gemeinsam mit den Herren H und L Gesellschafterin der Beklagten. Das Stammkapital der Beklagten beträgt 100.000,00 DM. Die Klägerin hält derzeit einen Geschäftsanteil von 31.000,00 DM, während die beiden vorgenannten Herren, die zugleich Geschäftsführer der Beklagten sind, jeweils Geschäftsanteile von 31.000,00 DM und 3.500,00 DM halten.
Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthielt ursprünglich u.a. folgende Regelungen:
§ 5
Geschäftsführung
...
d) Im Innenverhältnis wird vereinbart, dass die Geschäftsführer in jedem Fall zum Abschluss der nachfolgend bezeichneten Rechtsgeschäfte die vorherige Zustimmung aller Gesellschafter einzuholen haben:
bb) Abschluss und Kündigung von Anstellungsverträgen mit einem Jahresbruttogehalt von mehr als 30.000,-- DM.
...
§ 6
Stimmrecht
Jeweils volle 1.000,-- DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
Falls ein Gesellschafter verhindert ist, an einer Abstimmung teilzunehmen, ist er berechtigt, den Geschäftsführer, einen anderen Gesellschafter oder ein Mitglied der steuerberatenden oder rechtsberatenden Berufe mit der Wahrnehmung seiner Rechte in der Gesellschafterversammlung zu beauftragen.
...
§ 7
...
Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung zwingend eine größere Mehrheit vorschreiben.
...
Die Gesellschafterversammlung wird durch den oder die Geschäftsführer durch eingeschriebenen Brief, zu richten an jeden Gesellschafter, einberufen. Die Ladungsfrist beträgt zwei Wochen, der Tag der Ladung und der Tag der Versammlung werden nicht mitgerechnet. In diesem Brief ist der Tagungsort und die Tagungszeit und die Tagesordnung mitzuteilen. Eine nicht ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung kann rechtswirksame Beschlüsse nur insoweit fassen, als kein Widerspruch gegen die Beschlussfassung erhoben wird.
Wegen des Inhalts des Gesellschaftsvertrages im Übrigen wird auf die zur Akte gereichte Vertragskopie Bezug genommen (Bl. 7 ff. d.A...