Entscheidungsstichwort (Thema)

Erneute Versicherung eines Versicherungsbetrügers hindert nicht Berufung auf Unglaubwürdigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beweis des äußeren Bildes trotz gegenteiliger Zeugenaussage nicht erbracht.

2. Auch wer einen Versicherungsbetrüger erneut versichert, kann sich auf fehlende Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers berufen.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 04.05.2004; Aktenzeichen 6 O 653/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.5.2004 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt wegen eines - behaupteten - Kraddiebstahls aus einer bei der Beklagten genommenen Kaskoversicherung Zahlung von 11.500 Euro auf ein Konto der finanzierenden Bank.

Er hat behauptet, er habe sein Suzuki-Krad am Abend des 2.8.2003 vor einem Hotel beim Nürburgring abgestellt. Als er - so jedenfalls seine Angabe vor dem Senat - am nächsten Morgen nach dem Frühstück mit dem Krad habe nach Hause fahren wollen und mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin O., zu dem Abstellplatz vor dem Hotel gegangen sei, habe er das Krad nicht wieder vorgefunden.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie macht u.a. geltend, das sog. äußere Bild des Diebstahls sei weder durch die Zeugin O., die Lebensgefährtin des Klägers, noch durch den Kläger selbst bewiesen. Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit einer Gegenforderung erklärt.

Der Kläger verteidigt das Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin O. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.

II. Die Berufung ist begründet.

Dem Kläger stehen wegen des behaupteten Diebstahls keine Ansprüche gegen die Beklagte zu. Denn der Diebstahl ist nicht bewiesen. Der Kläger hat schon das sog. äußere Bild eines Diebstahls (vgl. dazu nur Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 49 Rz. 17 ff.) nicht bewiesen.

1. Allerdings hat die Zeugin O. die Behauptung des Klägers bestätigt und u.a. bekundet, sie sei am Morgen des 3.8.2003 zusammen mit dem Kläger zu dem Abstellplatz gegangen, um mit dem Krad nach Hause zu fahren; sie hätten das Krad gegen ihre Erwartung nicht wieder vorgefunden.

Der Senat (der die Zeugin erneut vernommen hat, da das LG deren etwaige Bekundung zum Nichtwiedervorfinden des Krades weder im Protokoll noch im Urteil festgehalten hat) hat aber - auch nach dem persönlichen Eindruck, welchen die Zeugin bei ihrer Bekundung gemacht hat - erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage. Es steht nicht mit dem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. zu diesem Maßstab nur BGH v. 14.1.1993 - IX ZR 238/91, MDR 1993, 1239 = NJW 1993, 935 [937] unter III 3 a; v. 18.1.2000 - VI ZR 375/98, MDR 2000, 582 = NJW 2000, 953 f. unter II 3 b) fest, dass der Kläger am Morgen des 3.8.20013 zusammen mit der Zeugin zu dem Abstellplatz ging, um mit dem Krad nach Hause zu fahren, und das Krad nicht wieder vorfand.

Die Zeugin hat sich bei ihrer Aussage vor dem Senat in auffallender Weise auf dieses Kerngeschehen des äußeren Bildes konzentriert. Bereits auf eine allgemeine Frage nach dem Tagesablauf am 1. und 2.8.2003 hat sie ausgesagt, der Kläger habe das Krad am Abend des 2.8.2003 auf dem Parkplatz vor dem Hotel abgestellt, er habe es abgeschlossen, und am nächsten Morgen hätten Kläger und Zeugin das Krad nicht wieder vorgefunden. Bei Fragen nach dem Randgeschehen hat sie mehrmals den Kläger angeschaut, wie wenn sie von diesem einen Hinweis für ihre weitere Aussage erwartete. Sie hat dann u.a. bekundet, sie wisse nicht mehr, ob sie und der Kläger am Morgen des 3.8.2003 vor der - beabsichtigten - Heimfahrt im Hotel gefrühstückt oder jedenfalls "einen Kaffee" getrunken hätten. Andererseits aber will sie noch genau in Erinnerung haben, dass der Kläger am Abend des 2.8.2003 das Krad abgeschlossen hat.

Zudem weicht die Aussage der Zeugin in einem Punkt von den Angaben des Klägers ab. Der Kläger hat vor dem Senat angegeben, er habe, als er das Krad nicht wieder vorgefunden habe, zunächst gedacht, das Krad sei möglicherweise von einem Hotelmitarbeiter an eine andere Stelle gebracht worden; er sei deshalb ins Hotel zurückgegangen, um nachzufragen; die Wirtin habe solches verneint und ihm mitgeteilt, dass noch - jedenfalls - ein weiteres Krad gestohlen worden sei; dann habe der Kläger die Polizei verständigt. Demgegenüber hat die Zeugin bekundet, der Kläger sei nach dem Nichtwiedervorfinden des Krades lediglich einmal um das Hotel gegange...

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