Leitsatz (amtlich)

Die Anklageschrift in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG erfüllt ihre Umgrenzungsfunktion auch dann noch, wenn zwar die konkreten Daten der dem Angeklagten im einzelnen vorgeworfenen Taten sowie auch die Menge der jeweils gehandelten Betäubungsmittel im Detail nicht benannt werden, die Anklageschrift aber konkrete Angaben zum Tatzeitraum, zum Tatort sowie zu der Grundzügen der vorgeworfenen Straftaten enthält.

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird, soweit das Verfahren eingestellt worden ist, mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Hagen hat am 22. November 1999 vor dem Amtsgericht Schwelm gegen den Angeklagten Anklage erhoben.

Die vom Schöffengericht Schwelm am 23. Dezember 1999 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage lautet wie folgt:

"Der Gastwirt G. F. , . . . . . .

wird angeklagt, Anfang 1998 und Anfang 1999

in Schwelm

durch 11 selbständige Handlungen

in 10 Fällen

als Person über 21 Jahre

Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahre abgegeben zu haben

in einem Fall

Betäubungsmittel unerlaubt erworben und eingeführt zu haben.

Dem Angeschuldigten wird folgendes Last gelegt:

1. - 10.

Anfang 1998 verkaufte er in seiner Gaststätte "Café Bonjour" dem am 25. 5. 1982 geborenen M. K. in 10 Fällen Haschisch für jeweils 10, -- DM oder 20, -- DM (1. -10. ).

11.

Anfang 1999 kaufte er in den Niederlanden Haschisch, verbrachte es nach Schwelm und fertigte daraus 5 Joints, die am 14. 1. 1999 hinter der Theke seiner Gaststätte aufgefunden wurden. . . . . . . . . . . . "

Das Amtsgericht Schwelm hat den Angeklagten am 18. Januar 2000 wegen gemeinschaftlicher unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in zehn Fällen sowie wegen unerlaubter Einfuhr in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung des Angeklagten, die auf die genannten zehn Fälle der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren beschränkt worden ist, hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen am 5. Mai 2000 durch das angefochtene Urteil das Verfahren insoweit wegen fehlender Konkretisierung der Anklage nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Es soll ihr nämlich an Angaben zu den Tatmodalitäten, zu den im Einzelfall gehandelten Betäubungsmitteln sowie an einem zeitlich begrenzten Tatzeitraum fehlen.

Gegen das Urteil der Strafkammer richtet sich die rechtzeitig eingelegte und mit der Verletzung von Verfahrensrecht begründete Revision der Staatsanwaltschaft Hagen, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.

Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Ordnungsgemäß ausgeführt hat die Staatsanwaltschaft die Rüge, die Strafkammer habe zu Unrecht ein Verfahrenshindernis angenommen. Der Revisionsführer hat den Inhalt der Anklageschrift im Wortlaut mitgeteilt, so dass der Senat allein anhand der Revisionsbegründungsschrift zur Prüfung in der Lage ist, ob die Anklageschrift den Anforderungen des § 200 StPO genügt (vgl. OLG Karlsruhe, Justiz 82, 98).

Der Zulässigkeit der Revision steht auch nicht entgegen, dass innerhalb der Revisionsbegründungsfrist kein Revisionsantrag gestellt worden ist. Ein solcher ist immer dann entbehrlich, wenn -wie hier- das Ziel der Revision eindeutig aus der Revisionsbegründungsschrift hervorgeht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 344 Rdnr. 2 m. w. N. ).

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat auf die formelle Rüge auch in der Sache Erfolg, weil die Anklage und der Eröffnungsbeschluss entgegen der Auffassung der Strafkammer wirksam sind.

Dabei ist davon auszugehen, dass die Anklageschrift in prozessualer Hinsicht eine doppelte Bedeutung hat. Über die Bestimmung des Prozessgegenstandes (Umgrenzungsfunktion) hinaus soll sie dem Gericht und dem Angeschuldigten die für die Durchführung des Verfahrens und für die Verteidigung notwendigen Informationen vermitteln (Informationsfunktion). Mängel der Anklageschrift hinsichtlich dieser Funktionen haben aufgrund der verschiedenen Aufgaben unterschiedliche Folgen. Während die die Informationsfunktion betreffenden Schwächen in der Regel noch im Hauptverfahren zu heilen sind, haben Defizite hinsichtlich der Umgrenzungsfunktion die Unwirksamkeit der Anklage zur Folge, so dass die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen ist ( BGHSt 40, 391, 392).

Einen solchen Fehler in der Umgrenzungsfunktion weist die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hagen aber indessen nicht auf. Um dieser Funktion gerecht zu werden, hat die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen , dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar w...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?