Leitsatz (amtlich)
Die Entnahme von Strom kann nicht ohne weiteres als Annahme einer Realofferte des Gebietsversorgers zum Abschluss eines Stromlieferanten ausgelegt werden, wenn der Abnehmer einen Vertrag mit einem anderen Stromlieferanten geschlossen hat, dieser jedoch ohne Kenntnis des Abnehmers des Strom tatsächlich nicht liefert.
Normenkette
EnWG § 10; AVBEltV § 2
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 31.07.2003; Aktenzeichen 43 O 60/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.7.2003 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Gemäß §§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
In der Berufung trägt die Beklagte vor, das LG habe nicht unter die Norm des § 812 BGB subsumiert, da das geleistete Etwas nicht der Strom, sondern die Zahlung des Klägers sei.
Diese Leistung sei mit Rechtsgrund erfolgt, da zwischen den Parteien ein Versorgungsvertrag bestanden habe. Kein anderer Versorger, insb. nicht die ..., hätten eine Abfrage zur Durchleitung von Energie durch das von der ... betriebene Stromnetz zur Entnahmestelle des Klägers gestellt. Deshalb habe die Beklagte als Gebietsversorgerin i.S.d. § 10 Abs. 1 EnWG die Durchleitung von Strom an den Zähler des Klägers übernehmen müssen. Durch die Stromentnahme des Klägers sei ein Stromversorgungsvertrag zustande gekommen, was sich aus § 2 Abs. 2 AVBEtV ergebe.
Selbst wenn der Kläger mit der ... einen Versorgungsvertrag geschlossen haben sollte, so habe diese mangels Anmeldung der Durchleitung bei der ... die Versorgung tatsächlich nicht durchgeführt. Die DSA habe also keine Leistung erbracht. Deshalb sei es auch gleichgültig, ob der Kläger an diese Abschlagszahlungen erbracht habe.
Die Leistung sei von der Beklagten aufgrund ihrer Pflicht als Gebietsversorger erbracht worden.
Rechtsgrund für die Zahlung sei hilfsweise auch eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Beklagte habe den Kläger mit Strom beliefert, weil die ... die Versorgung nicht sichergestellt habe.
Letztlich habe die Beklagte jedenfalls einen Bereicherungsanspruch, weil sie den Kläger aufgrund eines vermeintlich als Gebietsversorger geschlossenen Versorgungsvertrages beliefert habe. Sollte dieser nicht zustande gekommen sein, fehle es an einem Rechtsgrund.
Der Kläger müsse selbst das Ausfallrisiko bezüglich seines Vertragspartners tragen. Das dürfe nicht über § 10 EnWG der Beklagten auferlegt werden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, unstreitig habe zwischen der ... und der ... ein Bilanzkreisvertrag und ein Lieferanten-Rahmenvertrag bestanden. Der Liefervertrag zum Kläger sei von der ... sowohl der ... als auch der Beklagten angemeldet worden.
Die Beklagte habe unstreitig eine eigene Belieferung des Klägers nie schriftlich bestätigt oder irgendwelche Abschlagszahlungen angemahnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Dem Kläger steht ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB auf Rückzahlung des auf die Rechnungen der Beklagten vom 17.9.2002 versehentlich gezahlten Betrages zu.
Diese Zahlungen sind ohne Rechtsgrund erfolgt.
1.1. Ein Stromversorgungsvertrag ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden.
Zwar unterliegt die Beklagte als Gebietsversorger gem. § 10 EnWG einem Kontrahierungszwang mit jedem, der in dem betreffenden Versorgungsgebiet mit Strom versorgt werden will, ohne mit einem bestimmten - anderen - Versorgungsunternehmen einen Belieferungsvertrag geschlossen zu haben. Insofern hat die Beklagte mit der Zurverfügungstellung von Energie an der Entnahmestelle des Klägers ein Angebot auf Abschluss des Versorgungsvertrages gemacht.
1.1.1. Der Zugang dieses Vertragsangebots beim Kläger ist jedoch nicht feststellbar (OLG Celle, Urt. v. 3.12.2003 - 3 U 181/03, OLGReport Celle 2004, 137). Dazu reicht nicht aus, dass die Beklagte - nach ihrer Behauptung - den Strom geliefert hat. Notwendig ist auch, dass der Kläger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte, wer ihm den Strom gerade lieferte.
Seit der Liberalisierung des Strommarktes ist es nicht mehr so, dass für eine Abnahmestelle nur ein Versorger in Frage kommt. Da man dem Strom jedoch nicht ansehen kann, welches Unternehmen ihn anbietet, muss für den Zugang des Angebotes auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Person des Anbietenden verlangt werden. Es handelt sich nich...