Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflicht zur Warnung vor Dachlawinen
Leitsatz (amtlich)
Ein Hauseigentümer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Dritte durch spezielle Maßnahmen vor Dachlawinen zu warnen; eine Rechtspflicht besteht erst dann, wenn besondere Umstände Sicherungsmaßnahmen zum Schutz Dritter gebieten. Solche können nach der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, den konkreten Schneeverhältnissen und der Art und des Umfangs des gefährdeten Verkehrs gegeben sein.
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 24.01.2003; Aktenzeichen 2 O 355/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.1.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Siegen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist begründet, mit der Folge, dass die Klage abzuweisen ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des Schadens an ihrem Pkw Typ Jaguar, der am 13.1.2002 durch herabfallenden Schnee verursacht wurde.
Der Anspruch ist schon dem Grunde nach nicht gegeben.
Eine Haftung der Beklagten nach § 836 BGB kommt nicht in Betracht, da diese Bestimmung auf Dachlawinen nicht anwendbar ist (BGH VersR 1955, 300; OLG Hamm NJW-RR 1987, 412). Öffentlich-rechtliche Schutzgesetze, gegen die die Beklagte verstoßen haben könnte, sind nicht ersichtlich. Unstreitig ist es im Gebiet der Stadt … ordnungsbehördlich nicht vorgeschrieben, zum Schutz gegen herabfallenden Schnee und Eis bauliche Vorrichtungen an Gebäuden (Schneefanggitter) anzubringen. Die ordnungsbehördliche Verordnung vom 16.4.1992 sieht vor (§ 11 Abs. 1), dass Schneeüberhang und Eiszapfen an Gebäuden zu entfernen sind, wenn Personen oder Sachen ansonsten gefährdet werden könnten. Solche Gefahren haben sich im Streitfall jedoch nicht verwirklicht. Jedenfalls hat die Klägerin dies nicht bewiesen.
Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen. Es fehlt schon an der Verletzung einer Rechtspflicht.
In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass einen Hauseigentümer grundsätzlich nicht die Pflicht trifft, Dritte durch spezielle Maßnahmen vor Dachlawinen zu schützen, wenn diese – wie hier – nicht vorgeschrieben sind (vgl. OLG Celle v. 20.1.1982 – 9 U 161/81, VersR 1982, 979; OLG Düsseldorf v. 19.11.1992 – 13 U 95/92, OLGReport Düsseldorf 1993, 119; OLG Hamm NJW-RR 1987, 412). Es ist zunächst Aufgabe eines jeden selbst, sich vor solchen Gefahren zu schützen. Eine Rechtspflicht besteht erst dann, wenn besondere Umstände Sicherungsmaßnahmen zum Schutze Dritter gebieten. Solche können nach der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, den konkreten Schneeverhältnissen und der Art und des Umfangs des gefährdeten Verkehrs gegeben sein (vgl. OLG Dresden r+s 1997, 369).
Nach keinem dieser Aspekte war die Beklagte gehalten, zur Vermeidung des Schadens der Klägerin Maßnahmen zu ergreifen. Schneefanggitter auf der Dachfläche waren nicht erforderlich. Dies meint auch der Geschäftsführer der Klägerin, der an seinem Haus auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück selbst keine solchen Vorrichtungen angebracht hatte und nach seinen Erklärungen vor dem Senat weder nach der Dachneigung, der Lage des Garagendaches der Beklagten und den allgemeinen Schneeverhältnissen in … solche für erforderlich hält. Der Geschäftsführer der Klägerin hat auch nicht erwartet, dass die 72-jährige Beklagte, die ihm als Nachbarin bekannt war, vorsorglich dafür gesorgt hätte, Schnee von dem Dach zu kehren. Er meint aber, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn vor der Gefahr zu warnen. Dem ist jedoch aus mehreren Gründen nicht zu folgen. Die Beklagte musste nicht damit rechnen, dass die Klägerin gerade an der Stelle parken würde, an der der Pkw durch den Überhang des Daches durch Schnee gefährdet werden konnte. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nämlich, dass der Pkw in der Regel gerade nicht dort abgestellt wird und am Schadenstage nur ausnahmsweise diese Fläche benutzt wurde, weil wegen einer Baustelle und wegen geräumten Schnees andere Flächen in der Nähe nicht frei waren. Die vorausschauende Einschätzung einer Gefahr musste die Beklagte auch deshalb nicht zu einer Warnung veranlassen, weil sie sich bei vernünftiger Betrachtungsweise darauf verlassen durfte, dass der Geschäftsführer der Klägerin davon absehen würde, seinen wertvollen Pkw unter dem Überhang des Daches abzustellen. Denn ihm war bekannt, dass es an den Tagen zuvor heftig geschneit hatte und dies eine gewisse Gefahrträchtigkeit mit sich brachte, die sogar dazu geführt hatte, dass das Dach des städtischen Hallenbades unter der Schneelast eingebrochen war. Selbst wenn die Beklagte an die Möglichkeit eines Schadens gedacht hätte, durfte sie sich darauf verlassen, dass der Geschäftsführer der Klägerin gerade hier nicht parken würde, zumal er die konkrete Gefahrenlage vor Augen hatt...