Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob und wann ein Zahlungsanspruch statt eines Freistellungsanspruchs hinsichtlich anwaltlicher Abmahnkosten ohne vorherige Tilgung derselben bestehen kann
Normenkette
UWG § 12 Abs. 1 S. 2; BGB § 281 Abs. 1 S. 1, § 249 Abs. 1, § 250 S. 2
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 30.05.2012; Aktenzeichen 42 O 70/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.5.2012 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die durch die Abmahnung vom 9.9.2011 entstandenen Kosten i.H.v. 924,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.9.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Gründe
A. Der Kläger verkauft gewerblich auf der Internetplattform eBay unter der Bezeichnung "H" u.a. Haushaltsartikel (Anlage FN1 zur Klageschrift vom 19.10.2010/Bl. 9 ff. d.A.). Die Beklagte verkauft ebenfalls auf der Internetplattform eBay unter "F" im gewerblichen Umfang identische Waren.
Der Kläger erteilte seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit E-Mail vom 8.9.2011 (Anlage FN7 zum Schriftsatz vom 28.12.2011/Bl. 67 d.A.) den Auftrag, den Internetauftritt der Beklagten zu prüfen und diese gegebenenfalls abzumahnen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 9.9.2011 (Anlage FN3 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl. 23 ff. d.A.) ab. Er beanstandete, dass sich im Angebot der Beklagten kein Hinweis gem. § 355 Abs. 1 BGB auf das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht finde, dass im Impressum keine Angabe zum Registergericht gemacht und schließlich nicht gem. §§ 312c Abs. 2 und 312e BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB darüber informiert werde, ob der Vertragstext nach Vertragsschluss gespeichert werde und dem Kunden zugänglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 15.9.2011 und zur Überweisung der für die Abmahnung entstandenen anwaltlichen Kosten i.H.v. 924,40 EUR bis zum 22.9.2011 "auf das angegebene Konto" auf.
Hierüber erteilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesem am 15.9.2011 eine Rechnung. Wegen der Einzelheiten dieser Rechnung wird auf die als Anlage zum Schriftsatz vom 7.3.2012 (Bl. 108 d.A.) zu den Akten gereichte Kopie derselben Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.9.2011 (Anlage FN4 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl. 29 ff. d.A.) wies die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zurück. Gleichwohl gab sie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tag annahm.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger macht im Hinblick auf die allein im Streit befindliche Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 9.9.2012 ausschließlich einen Zahlungsanspruch geltend. Er begehrt hingegen nicht, und zwar auch nicht hilfsweise die Freistellung von diesen Anwaltskosten.
Das LG hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
Die Klage sei unbegründet.
Denn dem Kläger stehe kein Anspruch gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten zu.
Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er eine entsprechene Aufwendung tatsächlich getätigt habe. Dies sei jedoch Voraussetzung für den Zahlungsanspruch. Denn die eindeutige Regelung des § 257 BGB sehe einen Freistellungsanspruch vor, wenn der Aufwand im Eingehen einer Verbindlichkeit bestehe. Eine analoge Anwendung des § 250 BGB komme mangels planwidriger Gesetzeslücke ebenso wenig in Betracht wie ein konkurrierender Schadensersatzanspruch, der im Hinblick auf Abmahnkosten ohnehin nur in Ausnahmefällen angenommen werden könne.
Der Kläger habe auch nicht bewiesen, dass die Gebührenforderung durch wirksame Aufrechnung erloschen sei. Die Vorlage des Schreibens der Klägervertreter vom 15.9.2011 rechtfertige nicht die Annahme, dass die hier fragliche Gebührenforderung mit einer wirksamen Aufrechnungserklärung zum Erlöschen gebracht worden sei. Es erscheine bereits fraglich, ob das vorgelegte Schreiben eine Aufrechnungserklärung oder lediglich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes darstelle. Jedenfalls komme dem Schreiben nur der in § 416 ZPO vorgesehene Beweiswert zu. Beweiskraft für die inhaltliche Richtigkeit messe das Gesetz einer privatschriftlichen Erklärung nicht zu. Da die Beklagte bestritten habe, dass der Erklärung reale Vorgänge zugrunde lägen, habe es dem Kläger oblegen, weiteren Beweis anzutreten. Allein aufgrund des Umstandes, dass der Klägervertreter eine solche Erklärung zu den Akten gereicht habe, vermöge die Kammer nicht auf die Richtigkeit derselben zu schließen. Dem Schreiben lasse sich ein so detaillierter und nachvollziehbarer Lebenssachverhalt, dass dessen Bestehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, nicht entnehmen. Eine generelle Beweisvermutung, dass sch...