Leitsatz (amtlich)
Ein Frachtführer kann gem. Art. 29 CMR leichtfertig handeln, wenn er seinen Lastzug nachts auf einem grenznahen, unbewachten Autobahnparkplatz abstellt, der Lastzug über keine Sicherungen gegen ein unbefugtes Abkoppeln des Anhängers verfügt und der mit diebstahlgefährdetem Frachtgut beladene Anhänger dann gestohlen wird.
Normenkette
CMR Art. 29
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 20.01.2009; Aktenzeichen 12 O 118/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.1.2009 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landge-richts Bochum abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.421 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 26.4.2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Beklagte i.H.v. 6.421 EUR; die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Abfassung eines Tatbestands wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
B. Die zulässige Berufung ist begründet, denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 6.421 EUR aus Art. 17, 29 CMR, § 435 HGB, §§ 249 ff. BGB i.V.m. § 398 BGB.
Die Klägerin ist parteifähig (I.). Sie ist auch Inhaberin der eingeklagten Forderung, denn ihre Versicherungsnehmerin hat sie durch schlüssiges Handeln an sie abgetreten (II.). Entgegen der Ansicht des LG besteht der Anspruch auch in der geltend gemachten Höhe, denn die Beklagte haftet nach Art. 29 CMR i.V.m. § 435 HGB wegen des ihr zurechenbaren Verhaltens ihrer Unterfrachtführerin unbegrenzt (III.).
I. Die Klägerin ist parteifähig. Das ergibt sich aus dem von ihr vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister zu HRB ...1 AG Frankfurt/M., wo die Klägerin als Aktiengesellschaft nach französischem Recht eingetragen ist. Sie ist in diesem Rechtsstreit auch durch ihren Hauptbevollmächtigten, der ebenfalls nach Maßgabe des § 106 Abs. 3 VAG im Handelsregister eingetragen ist, ordnungsgemäß vertreten.
II. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Ihre Forderungsinhaberschaft ergibt sich aus § 398 BGB, denn ihre Versicherungsnehmerin, die U GmbH & Co KG, hat den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte durch schlüssiges Handeln an die Klägerin abgetreten. Auf die Forderungsabtretung ist deutsches Recht anzuwenden, denn die Parteien des Versicherungsvertrages haben in Ziff. 26 der vereinbarten DTV - Güterversicherungsbedingungen 2000 in der Fassung 2004 eine Rechtswahl i.S.v. Art. 31 Abs. 1 EGBGB getroffen und deutsches Recht gewählt. Daher ist auch die dazu ergangene deutsche Rechtsprechung anwendbar.
Die Abtretung der Schadensersatzforderung gegen die Beklagte erfolgte durch schlüssiges Handeln. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt in der Überlassung der Schadensunterlagen durch den Versicherungsnehmer eine konkludent erklärte Abtretung des Schadensersatzanspruchs an den Versicherer. Das gilt selbst dann, wenn der Versicherer den Schaden noch nicht reguliert hat (BGH TranspR 2006, 166). So liegt der Fall hier. Aus den von der Klägerin in diesem Verfahren vorgelegten Schadensunterlagen ihrer Versicherungsnehmerin ergibt sich, dass diese die Unterlagen der Klägerin überlassen und die Forderung somit durch schlüssiges Handeln abgetreten hat. Da die Klägerin durch die Vorlage der Versicherungspolice auch bewiesen hat, Alleinversicherer dieses Schadensfalls zu sein, ist die konkludente Abtretung auch so auszulegen, dass die den gesamten Schadensersatzanspruch umfasst.
Die Abtretung verstößt auch nicht Art. 1 § 1 RBerG und ist somit nicht nach § 134 BGB nichtig. Beide Vorschriften sind nach Art. 33 Abs. 2 EGBGB hier anwendbar. Es ist anerkannt, dass die gerichtliche Schadensregulierung von Versicherern, insbesondere im Bereich der Transportversicherungen, nach Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG erlaubnisfrei war (OLG Düsseldorf TranspR 2003, 107; Kleine-Cosack, RDG, 2. Aufl. 2008, Anhang zu §§ 1-5 Rz. 161, 163 m.w.N.). Das entspricht auch der Rechtsprechung des BGH. Danach setzt ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG voraus, dass eine fremde Rechtsangelegenheit, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, geschäftsmäßig besorgt wird. Wegen der begrenzten Zielsetzung und des Ausnahmecharakters des Rechtsberatungsgesetzes ist jedoch eine einschränkende Auslegung des Begriffs der fremden Rechtsangelegenheit geboten. Ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit vorliegt, ist daher davon abhängig, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH TranspR 2006, 166). Das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits liegt zweifelsfrei bei der Klägerin, denn sie ist, selbst wenn sie den Schaden gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin noch nicht reguliert hat - die Beklagte bestreitet eine Zahlung seitens der Klägerin - aufgrund des Versicherungsvertrags jedenfalls zur Regulierung verpflichtet. Somit ist sie das eigentlich wirtschaftlich von diesem Schadensfall betroffene Unternehmen.
III. Die...