Leitsatz (amtlich)

1. Erbringt ein Sozialhilfeträger nach einem Verkehrsunfall, bei dem es sich um einen von der Berufungsgenossenschaft anerkannten Wegeunfall gemäß §§ 2, 8 Abs. 2 a) SGB VII gehandelt hat, Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX, für deren Erbringung die Berufsgenossenschaft nach §§ 35 Abs. 1 SGB VII zuständig ist, so dass eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers allein wegen Nichtweiterleitung des bei ihm eingegangenen Antrags des Unfallgeschädigten an die Berufsgenossenschaft nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eintritt, geht der Ersatzanspruch des Unfallgeschädigten nach § 116 Abs. 1 SGB X erst im Zeitpunkt der nicht erfolgten Antragsweiterleitung, ggf. bei rückwirkender Leistungsbewilligung mit dieser, auf den Sozialhilfeträger über.

2. Mögliche Ersatzansprüche gehen auf den Sozialhilfeträger in dem Zustand über, in dem sie sich bei Rechtsübergang befinden. Der Sozialhilfeträger muss sich deshalb sowohl einen Anspruchsuntergang durch eine umfassende Abfindungsvereinbarung zwischen Unfallgeschädigtem bzw. der Berufsgenossenschaft mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers als auch eine Verjährung von Ansprüchen des Unfallgeschädigten entgegenhalten lassen.

 

Normenkette

BGB §§ 404, 412; SGB IX § 14; SGB X § 116

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 4 0 332 /17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.01.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht als Sozialhilfeträger Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht aus einem Verkehrsunfall vom 00.12.1989 geltend. Bei diesem Verkehrsunfall wurde der Geschädigte, K, (im Folgenden: Geschädigter) schwer verletzt. Am Unfalltag war der Geschädigte auf dem Weg zur Fa. E in N, wo er als Hilfsarbeiter beschäftigt war und ein Jahreseinkommen von umgerechnet 15.935,14 EUR erzielte.

Bereits zehn Jahre zuvor, im Jahre 1979, war der Geschädigte in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen, infolgedessen er sich eine schwere Kopfverletzung mit Hirnschäden zugezogen hatte.

Der hier in Rede stehende Verkehrsunfall ereignete sich am 00.12.1989 gegen 6:52 Uhr. Als der Geschädigte mit seinem Fahrrad den Kreisverkehr am Mplatz in N befuhr, wurde er von dem durch den Beklagten geführten Pkw erfasst, nachdem dieser beim Ausfahren aus dem Kreisverkehr die Vorfahrt des Geschädigten missachtet hatte. Die volle Haftung des Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit. Der Pkw des Beklagten war zum damaligen Zeitpunkt bei dem M1 Versicherungsverein a.G., N (im Folgenden: Haftpflichtversicherer) haftpflichtversichert.

Der Unfall wurde von der seinerzeitigen gesetzlichen Unfallversicherungsträgerin des Geschädigten, der damaligen H-Berufsgenossenschaft (Rechtsnachfolgerin ist die Berufsgenossenschaft I) (im Folgenden: Berufsgenossenschaft) als Wegeunfall anerkannt.

Die Berufsgenossenschaft zahlte die Behandlungskosten des Geschädigten und leistet diesem seit dem Unfall eine monatliche Rente.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.1990 erhob der Geschädigte gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche. Der Haftpflichtversicherer verhandelte daraufhin mit dem Geschädigten über die Abgeltung der persönlichen Ansprüche. Dabei wurde dem Haftpflichtversicherer bekannt, dass der Unfall von der Berufsgenossenschaft als Wegeunfall anerkannt worden war.

Die Ansprüche des Geschädigten wurden gegen eine Gesamtzahlung von 35.000 DM abgefunden. Das Angebot dazu wurde am 11.05.1992 vom Haftpflichtversicherer in einer Verhandlung unterbreitet und vom Geschädigten mit Erklärung vom 19.05.1992 angenommen.

Die Berufsgenossenschaft meldete mit Schreiben vom 16.10.1990 eigene Ansprüche bei dem Haftpflichtversicherer an. Über diese Ansprüche wurde in einer Sammelbesprechung vom 05.10.1993, bestätigt durch Schreiben der Berufsgenossenschaft vom 06.10.1993, eine Abfindungsvereinbarung geschlossen mit dem Inhalt, dass gegen eine Zahlung von 10.000 DM alle Ansprüche der Berufsgenossenschaft aus dem Unfall vom 22.12.1989 als abgefunden gelten.

Der Kläger als Sozialhilfeträger bewilligte dem Geschädigten auf dessen Antrag und in Unkenntnis davon, dass ein Wegeunfall vorlag, durch bestandskräftige Bescheide vom 26.03.2010, 02.11.2010 und 04.01.2012 die Kostenübernahme für ambulante Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB VII i.V.m. § 55 SGB IX a.F. Er erstattete in Erfüllung seiner Pflicht aus den Bescheiden seit dem 13.08.2009 Kosten für die von einer Einrichtung erbrachten Fachleistungen. Daraus entstanden im Zeitraum vom 13.08.2009 bis zum 31.07.2017 von dem K...

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