Leitsatz (amtlich)
1. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, dessen Motor mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware ausgestattet ist, die im realen Fahrbetrieb die zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte erforderliche Aufheizstrategie abschaltet, kann ein sittenwidriges Verhalten i.S.d. § 826 BGB sein.
2. Die Sittenwidrigkeit entfällt nicht dadurch, dass die Herstellerin des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch einen Gebrauchtwagenkäufer das Kraftfahrt-Bundesamt sowie eigene Vertragshändler informiert hat, ohne sich allerdings an die Öffentlichkeit zu wenden (Abgrenzung zum Fall des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20).
3. Gegenüber dem Fahrzeughändler besteht in dem Fall ein Recht zum Rücktritt nach Sachmängelgewährleistungsrecht. Die Möglichkeit, ein zwischenzeitlich entwickeltes Software-Update aufspielen zu lassen, steht einem erheblichen Mangel nicht entgegen. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf es nicht, wenn der Händler arglistig gehandelt hat, was dann anzunehmen ist, wenn er entweder von der unzulässigen Abschalteinrichtung positive Kenntnis hatte oder ungeprüft falsche Angaben dazu ins Blaue hinein gemacht hat.
Normenkette
BGB § 323 Abs. 5 S. 2, §§ 434, 437 Nr. 2, §§ 439, 826
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 2 O 117/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 31.01.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Detmold teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 12.102,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2019 - sowie die Beklagte zu 2) allein weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 23.04.2019 bis zum 16.07.2019 - zu zahlen und den Kläger von weiteren Zahlungspflichten aus dem Darlehen an die B Bank - Zweigniederlassung der X Bank GmbH - mit der Vertragsnummer 0000000001 in Höhe von 24.176,12 EUR freizustellen, Zug um Zug gegen Abtretung des Anwartschaftsrechts des Klägers auf Übereignung sowie gegen Übergabe des Fahrzeugs der Marke B ...0 ... mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...0...0...000001 gegen die B Bank - Zweigniederlassung der X Bank GmbH - aus dem Darlehen mit der Vertragsnummer 0000000001.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten im Annahmeverzug mit der Annahme des Anwartschaftsrechts des Klägers auf Übereignung und mit der Übergabe des Fahrzeugs der Marke B ...0 ... mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...0...0...000001 gegen die B Bank - Zweigniederlassung der X Bank GmbH - aus dem Darlehen mit der Vertragsnummer 0000000001 befinden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Mangelgewährleistungsansprüche aufgrund eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw B ...0 ..., der - vermeintlich - vom sogenannten Abgas-Skandal betroffen ist. Der Kläger verfolgt seine vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge im Berufungsverfahren weiter.
Der Kläger erwarb am 07.11.2018 von der Beklagten zu 2) den von der Beklagten zu 1) hergestellten Pkw der Marke B ...0 ..., 3.0 l TDI, Euro 6, Fahrzeug-Identifizierungsnummer: ...0...0...000001, Erstzulassung: 09.10.2015, als Gebrauchtfahrzeug zu einem Kaufpreis in Höhe von 39.890,00 EUR brutto mit einem Kilometerstand von 41.746 km, der ihm am 23.11.2018 übergeben wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kaufs wird auf die verbindliche Bestellung vom 07.11.2018 (Anlage K1) und die Rechnung vom 08.11.2018 (Anlage K2) verwiesen. Zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs nahm der Kläger neben der anteiligen Kaufpreiszahlung von 12.000,00 EUR bei der B Bank, Zweigniederlassung der X Bank GmbH, zur Vertragsnummer 0000000001 ein Darlehen über 27.890,00 EUR netto bzw. 30.176,12 EUR brutto auf. Danach ist der Kläger zum Ausgleich von Zinsen und Tilgung verpflichtet. Seit dem 01.12.2018 sind 48 Raten in Höhe von monatlich 250,00 EUR zu zahlen sowie eine Schlussrate in Höhe von 18.176,12 EUR zu entrichten. Der Zinsaufwand für das Darlehen beläuft sich in Summe auf 2.286,12 EUR. Bis zur Klageeinreichung geleistete sieben Raten (Dezember 2018 bis Juni 2019) beliefen sich auf eine Summe von 1.750,00 EUR (7 × 250,00 EUR). Bis zum Eingang der Berufungsbegründung wurden insgesamt 4.000,00 EUR (16 Raten à 250,00 EUR) gezahlt. Zum Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Senat vom 23.11.2020 sind insgesamt 24 Raten à 250,00 EUR, also 6.000,00 EUR auf das Darlehen gezahlt worden.
Das Fahrzeug verfügt - was zwischen den Parteien erstinstanzlich in Streit gestanden hat - über einen Motor der Baureih...