Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Abmahnung bei wichtigem Grund zur Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt erst dann vor, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt.

2. Dies ist bei regelmäßiger Arbeit, die zum Kernbereich des Geschäftes gehört, regelmäßig zu bejahen.

3. Einer Abmahnung bedarf es jedenfalls in krasseren Fällen nicht.

 

Normenkette

MB/KT 94 § 1 Nr. 3, § 14 Nr. 2; BGB §§ 314, 323

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 15.06.2005; Aktenzeichen 1 O 243/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.6.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung genommen. Gemäß § 1 Nr. 3 der vereinbarten MB/KT 94 liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, diese auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Die Klägerin betreibt ein Reformhaus. Dieses ist mindestens von Montag bis Freitag von 9 bis 13 h sowie von 15 bis 18 h und am Samstag von 9-13 h geöffnet, also wöchentlich mindestens 39 h. Die Klägerin hat eine Angestellte, die Zeugin S. Diese arbeitet normalerweise an drei Nachmittagen in der Woche jeweils drei Stunden.

Die Klägerin meldete eine Arbeitsunfähigkeit ab 19.12.2003. Die Beklagte erbrachte Leistungen für die Zeit bis 25.5.2004.

Mit Schreiben vom 25.6.2004 erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des Vertrages und gab zur Begründung an, die Klägerin habe ihre berufliche Tätigkeit auch während des geltend gemachten Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit ausgeübt.

Die Klägerin hat beantragt, das Fortbestehen des Vertrages festzustellen sowie die Beklagte zur Zahlung von 3.476,84 EUR (ohne Zinsen) zu verurteilen. Dieser Betrag bezieht sich auf die Zeit vom 26.-30.5.2004 und vom 24.6.-25.8.2004.

Die Beklagte hat Widerklage erhoben, mit welcher sie die Erstattung von Ermittlungskosten nebst Zinsen begehrt hat. Dabei hat sie von unstreitigen Kosten i.H.v. 2.030 EUR nur 916,89 EUR geltend gemacht; hinsichtlich des übrigen Kostenteils hat sie erklärt, sie verrechne diesen - u.a. - mit einem (unterstellten) Leistungsanspruch für die Zeit vom 26.-30.5.2004.

Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und begehrt nunmehr zudem Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins ab 15.7.2004 (auf den gesamten Betrag von 3.476,84 EUR). Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Die Beklagte verteidigt das Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Der Senat hat die Angestellte der Klägerin, Gabriele S., als Zeugin vernommen; dazu wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das LG die fristlose Kündigung als wirksam angesehen, den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch abgewiesen und - auf die Widerklage - die Klägerin zur Erstattung von Ermittlungskosten verurteilt.

1. Die fristlose Kündigung ist wirksam (§ 14 Nr. 2 MB/KT 94, §§ 314 Abs. 1 und 2, 323 Abs. 2 BGB).

Allerdings ist ein Krankentagegeldversicherer nur unter engen Voraussetzungen zur fristlosen Kündigung berechtigt. Die private Krankentagegeldversicherung ersetzt vielfach - und so auch hier - den fehlenden Sozialversicherungsschutz. Auch wiederholte Verstöße gegen vertragliche Pflichten des Versicherungsnehmers rechtfertigen deshalb nicht ohne weiteres die für diesen sehr einschneidende fristlose Kündigung des Vertrages. Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt erst dann vor, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt (BGH v. 3.10.1984 - IVa ZR 76/83, MDR 1985, 302 = VersR 1985, 54; OLG Hamm v. 24.8.1990 - 20 U 302/89, VersR 1991, 452; OLG Saarbrücken v. 11.5.1994 - 5 U 965/93-67, VersR 1996, 362; und - von der Beklagten vorgelegt - Urt. v. 23.11.2005 - 5 U 70/05-8, OLGReport Saarbrücken 2006, 390; OLG Zweibrücken v. 16.2.2005 - 1 U 63/04, OLGReport Zweibrücken 2005, 902 = NJW-RR 2005, 1119).

Ein solcher Fall aber liegt hier vor. Denn die Klägerin hat versucht, sich Versicherungsleistungen zu erschleichen.

a) Die Klägerin machte Ansprüche auch für Juni 2004 geltend. Tatsächlich aber arbeitete sie jedenfalls in diesem Zeitraum mit einiger Regelmäßigkeit zumindest stundenweise an mehreren Tagen in der Woche.

aa) Hiervon muss der Senat bereits aus folgendem Grund ausgehen:

Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sena...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge