Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbedingter Mehrbedarf des Unterhaltsschuldners. Eigenbedarf eines in der Türkei lebenden Unterhaltspflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Geltendmachung von krankheitsbedingtem Mehrbedarf durch den Unterhaltsschuldner (aufgrund der Ernährung mittels einer Magensonde) obliegt es ihm darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, ob und in welchem Umfang die ernährungsbedingten Mehrkosten die häufig auftretenden Ersparnisse wegen Aufwendungen für die Normalernährung übersteigen. Bei Fehlen entsprechender Nachweise kann ein Mehrbedarf nach § 287 ZPO geschätzt werden.

2. Der Eigenbedarf eines in der Türkei lebenden Unterhaltspflichtigen ist mangels zuverlässiger Erkenntisquellen mit einer Ersparnis von rund einem Drittel gegenüber einem in Deutschland lebenden Unterhaltspflichtigen an die Lebensverhältnisse im Ausland anzupassen.

 

Normenkette

BGB § 1361 Abs. 1, § 1581 S. 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

AG Essen (Urteil vom 01.09.2004; Aktenzeichen 106 F 132/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - FamG - Essen vom 1.9.2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die seit 1962 verheirateten, inzwischen rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten um die Höhe des der Beklagten zustehenden Trennungsunterhalts.

Der Kläger ist durch Urteil des OLG Hamm vom 24.11.1992 (OLG Hamm, Urt. v. 24.11.1992 - 2 UF 242/91), zur Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts i.H.v. insgesamt 1.297,73 DM (725,46 DM Elementarunterhalt, 473 DM Altersvorsorgeunterhalt und 99,27 DM Krankenvorsorgeunterhalt) verurteilt worden. Grundlage des Urteils war ein Nettoeinkommen seinerseits aus Rente, Provision und Vermietung i.H.v. rund 4.200 DM (nach Abzug von Verbindlichkeiten) und ein anrechenbares Einkommen der Beklagten aus Wohnwert für das Wohnen im eigenen Haus und Zinseinkünften i.H.v. rund 900 DM.

Der Kläger begehrt Abänderung des Urteils auf einen Unterhaltsbetrag von monatlich 88 EUR ab Klagezustellung am 6.5.2004 und Feststellung des Wegfalls des Unterhaltsanspruchs ab 17.8.2004. Das FamG hat das Urteil des OLG Hamm vom 24.11.1992 dahingehend abgeändert, dass der vom Kläger monatlich zu zahlende Unterhalt 206 EUR ab Klagezustellung beträgt. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht gem. den §§ 313 Abs. 1, 1361 Abs. 1 BGB kein weiter gehender als der im angefochtenen Urteil anerkannte Abänderungsanspruch gegen die Beklagte zu.

a) Der Abänderungsanspruch des Klägers rechtfertigt sich dem Grunde nach daraus, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien nach Erlass des abzuändernden Urteils vom 24.11.1992 wesentlich verändert haben. Beide Parteien sind inzwischen Rentner. Soweit das FamG auf Seiten des Klägers eine monatliche Rente (einschließlich Unfallrente) von insgesamt 1.125,13 EUR und auf Seiten der Beklagten i.H.v. 643,58 EUR festgestellt hat, ist dies nicht zu beanstanden und wird mit der Berufung auch nicht angegriffen. Weitere Einkünfte oder sonstige anrechenbare Leistungen beziehen die Parteien nicht. Eines weiter gehenden Vortrages des Klägers hierzu, insb. zum Grund des Wegfalls seiner Mieteinkünfte aus der Vermietung der Lagerhalle, bedarf es nicht, denn auch die Beklagte geht davon aus, dass die Lagerhalle nicht mehr existiert.

Soweit der Kläger in zweiter Instanz zusätzliche regelmäßige Einkünfte der Beklagten aus einer nicht näher bezeichneten Unfallversicherung behauptet, fehlt es an einem schlüssigen Vortrag zur Höhe und zu dem, den Rentenanspruch auslösenden Unfallereignis. Ohne entsprechenden Sachvortrag des Klägers kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem anspruchsbegründenden Ereignis um den Unfall aus dem Jahre 1989 handelt, aufgrund dessen die Beklagte eine Abfindung erhalten hat, die sie nach eigenen Angaben inzwischen vollständig verbraucht hat und auch verbrauchen durfte.

Die Beklagte muss sich - entgegen der Ansicht des Klägers - auch keine Haushaltsleistungen für die unentgeltliche Versorgung eines Lebenspartners anrechnen lassen, denn der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat für seine - zwischen den Parteien streitige - Behauptung, die Beklagte lebe mit einem Lebenspartner zusammen, keinen Beweis angeboten.

Eine Wohnwertanrechnung zu Lasten der Beklagten kommt ebenfalls nicht in Betracht. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte tatsächlich mietfrei im Hause ihres Sohnes wohnt, denn selbst wenn dies der Fall ist (wofür den Kläger die Darlegungs- und Beweislast im Abänderungsverfahren trifft) handelt es sich bei der Gewährung mietfreien Wohnens um eine freiwillige Leistung Dritter, die nur dann unterhaltsrechtlich Berücksichtigung finden kann, wenn der Wille des freiwillig Zuwendenden - zumindest auch - darauf gerichtet ist, den Unterhaltsschuldner von seiner Verpflichtung zur Unterhaltsleistung zu entlasten (BGH FamRZ 2000, 153 [154], m.w.N...

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