Leitsatz (amtlich)
Der wegen eines vermeintliche falschen gerichtlichen Gutachtens auf Schadenersatz in Anspruch genommene Sachverständige haftet nicht nach §§ 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 163, 154 StGB (fahrlässiger Falscheid, Meineid), wenn er sich ohne vorausgegangene Anordnung seiner Vereidigung durch das Gericht bei seiner gerichtlichen Anhörung im voraus auf seinen allgemein geleisteten Sachverständigeneid beruft.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 29.12.2004; Aktenzeichen 2 O 365/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.12.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
(abgekürzt gem. § 540 ZPO)
I. Die Klägerin kaufte 1997 ein Haus in B, in dessen Keller Feuchtigkeit und Schimmel auftraten. 1999 schätzte der Beklagte in einem selbständigen Beweisverfahren die Kosten für eine seiner Meinung nach notwendige Innen- und Außensanierung auf 80.388 DM, wobei der den Vorbehalt machte, dass die genauen Kosten erst nach Freilegung bestimmbar seien. Das Gutachten des Beklagten schließt mit dem Satz: "Dieses Gutachten erstelle ich auf der Grundlage des von mir abgelegten Eides nach bestem Wissen und Gewissen." In einer späteren mündlichen Anhörung vor dem AG B lautet das Protokoll: "Der Gutachter wurde darüber belehrt, dass er sein Gutachten treu, gewissenhaft und unparteiisch zu erläutern habe. Er hat sich auf seinen allgemein geleisteten Eid berufen."
In einem Rechtsstreit mit den Hausverkäufern verglich sich die Klägerin auf eine von den Hausverkäufern entsprechend dem Gutachten des Beklagten durchzuführende Sanierung, widrigenfalls auf Zahlung von 80.388 DM durch die Hausverkäufer. Die Verkäufer haben nicht saniert, sondern den Betrag gezahlt, zzgl. eines weiteren Betrages von 10.000 DM in einem zweiten Vergleich.
Gestützt auf von ihr eingeholte Kostenvoranschläge begehrt die Klägerin vom Beklagten 56.514,20 EUR mit der Behauptung, der Beklagte habe in seinem Gutachten die Sanierungskosten in diesem Umfang zu niedrig eingeschätzt. Das LG hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung abgewiesen, dass die vom Beklagten geschätzten Sanierungskosten nach dem Ergebnis des vom Gericht eingeholten Gutachtens für eine nach Ansicht des gerichtlich bestellten Gutachters allein erforderliche Innensanierung ausreichend seien. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter verfolgt.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung scheitert bereits daran, dass es dafür keine Anspruchsgrundlage gibt:
1. Ein unmittelbarer vertraglicher Anspruch scheidet aus, da zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine vertraglichen Beziehungen bestanden haben. Die Klägerin kann auch keine vertraglichen Rechte aus dem im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens vor dem AG B begründeten Vertragsverhältnis zwischen dem Gericht und dem Beklagten herleiten, da dieses dem öffentlichen Recht unterliegt und deshalb keine privatrechtlichen Ansprüche begründet (BGH v. 20.5.2003 - VI ZR 312/02, MDR 2003, 1180 = BGHReport 2003, 996 = NJW 2003, 2825). Insbesondere scheidet ein Vertrag zugunsten Dritter oder ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus (OLG Brandenburg v. 11.1.2000 - 11 U 137/99, MDR 2000, 1076 = OLGReport Brandenburg 2000, 219; OLG Frankfurt BauR 2000, 521).
2. Eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB scheidet aus, da die Klägerin hier einen Vermögensschaden geltend macht.
3. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, der grundsätzlich auch Vermögensschäden umfassen kann, i.V.m. § 163 Abs. 2 StGB scheidet ebenfalls aus. Zwar dient § 163 StGB, der den fahrlässigen Falscheid unter Strafe stellt, auch dem Schutz des Privatvermögens (OLG Hamburg v. 6.9.2000 - 14 W 34/00, OLGReport Hamburg 2001, 57; OLG Brandenburg v. 11.1.2000 - 11 U 137/99, MDR 2000, 1076 = OLGReport Brandenburg 2000, 219; OLG Düsseldorf v. 6.8.1986 - 4 U 41/86, NJW 1986, 2891).
Die erste Tatbestandsvoraussetzung des § 163 StGB ist jedoch, dass der Täter überhaupt einen Eid im Sinne dieser Vorschrift leistet, also fahrlässig "vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört". Dies hat der Beklagte jedoch nicht getan:
a) Die in der mündlichen Anhörung des Beklagten vor dem AG B protokollierte Erklärung des Beklagten, wonach er sich auf seinen allgemein geleisteten Eid berufe, stellt weder einen Eid i.S.d. § 163 StGB noch eine eidesgleiche Bekräftigung i.S.v. § 155 StGB dar, weil es sich um eine ausweislich des Protokolls unverlangte, einseitige Erklärung des Beklagten handelt, der keine Vereidigungsanordnung durch das Gericht vorausg...