Entscheidungsstichwort (Thema)

Werkvertragssache: Verjährung und Verwirkung von Gewährleistungsansprüchen am Gemeinschaftseigentum sowie Abnahmefiktion durch AGB-Klausel "Abnahme mit Einzug")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage einer Verwirkung und zur Darlegungs- sowie Beweislast für die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum bei einer Vielzahl von Wohnungseigentümern.

2. Die Abnahmefiktion in Formularwerkverträgen, wonach „das Kaufobjekt spätestens mit dem Einzug des Käufers in die Wohnung als abgenommen gilt”, ist wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 10 f AGBG unwirksam.

Für die Anwendung das AGBG ist nicht auf die etwaige Kaufmanns – Eigenschaft der Verwalterin abzustellen, sondern auf die durch sie vertretene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

 

Normenkette

AGBG § 11 Nr. 10 Buchst. f.; BGB §§ 242, 633 Abs. 3

 

Beteiligte

den Architekten B, den Bauingenieur B und den Justizrat Dr. N, als Gesellschafter der Grundstücksgemeinschaft B-N

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 13 O 152/92)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Dezember 1992 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 13. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 60.021,00 DM nebst 4 % Zinsen von 50.000,00 DM vom 20.08.1992 bis zum 20.04.1993 und nebst 4 % Zinsen von 60.021,00 DM seit dem 21.04.1993 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner die Kosten der Sanierung der Undichtigkeit in der Tiefgarage der Wohnungseigentumsanlage Bethanienstraße 9 und 11 in Bochum an die Klägerin zu erstatten, soweit die Kosten über einen Betrag von 60.021,00 DM hinausgehen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen; die darüber hinausgehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 83.500,00 DM abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheit kann geleistet werden durch eine selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft seitens der Beklagten durch die Sparkasse Bochum, seitens der Klägerin durch die Deutsche Bau- und Bodenbank Essen.

Das Urteil beschwert die Beklagten in Höhe von 62.021,00 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Verwalterin einer von den Beklagten als Bauträgern in Bochum – G, B-straße, errichteten Wohnungseigentumsanlage mit einer im Teileigentum stehenden Gewerbeeinheit, einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Tiefgarage und 23 Eigentumswohnungen. Sie macht aufgrund Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer vom 30.03.1992 gegen die Beklagten in erster Linie einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses auf die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung wegen Undichtigkeiten der Tiefgarage, hilfsweise Schadensersatz geltend.

Die Beklagten veräußerten die von den Erwerbern nach Fertigstellung im Jahre 1982 bezogenen Eigentumswohnungen mit inhaltlich im wesentlichen gleichlautenden notariellen Formularverträgen, in denen es in § 9 abschließend heißt: „Mit der Erstellung des Abnahmeprotokolls, spätestens mit dem Einzug des Käufers in die Wohnung, gilt das Kaufobjekt einschließlich des Gemeinschaftseigentums als abgenommen”.

Ferner lautet § 10 der jeweils als „Kaufvertrag” bezeichneten Werkverträge, für die eine Geltung der VOB/B nicht vereinbart worden ist:

„Hinsichtlich der schlüsselfertig herzustellenden Baulichkeiten haftet der Verkäufer für Mängel in dem Umfang und mit den Fristen, wie ihm gegenüber aufgrund der abgeschlossenen Bau- und Lieferungsverträge die Baubeteiligten haften, und zwar mit folgender Maßgabe:

  1. Die in das Übergabeprotokoll aufgenommenen berechtigt gerügten Mängel sind vom Verkäufer unverzüglich zu regulieren.
  2. Eine weitere Mängelgewährleistung des Verkäufers und des Architekten findet nur noch für zunächst unsichtbare Mängel statt, die nicht in das Übergabeprotokoll aufgenommen worden sind, wobei jedoch der Verkäufer und der Architekt nur insoweit haften, als der Käufer nicht von den Technikern, Unternehmern, Handwerkern und Lieferanten, die an der Errichtung des Bauwerks mitgewirkt haben, Ersatz erlangen kann. Diese subsidiäre Haftung des Verkäufers und des Architekten verjährt gleichzeitig mit derjenigen der Baubeteiligten.
  3. Gewährleistungsansprüche, die dem Verkäufer gegenüber dem Architekten und den Baubeteiligten zustehen, werden hiermit an den dies annehmenden Käufer mit der Maßgabe abgetreten, daß der Verkäufer berechtigt bleibt, die Erfüllung der Mängelgewährleistungsansprüche zugunsten des Käufers zu verlangen und Zurückbehaltungsrechte gegenüber den Baubeteiligten geltend zu machen. …”

Eine vertraglich vorgesehene förmliche Abnahme der Anlage fand nicht statt. Die Parteien streiten darüber, ob und wann eine stillschweigende Abnahm...

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