Leitsatz (amtlich)
1. Stellt ein Lkw-Fahrer den Lkw auf den rechten Seitenstreifen der Autobahn ab, um dann als Fußgänger vom Mittelstreifen aus verlorene Fahrzeug-Ladepapiere aufzusammeln, und veranlasst er durch diese Tätigkeit eine Ausweichreaktion eines Pkw-Fahrers, die zur Kollision mit einem anderen Pkw führt, welcher wegen des rechts stehenden Lkw den Fahrstreifen gewechselt hat, so ist der Unfall dem Gebrauch und auch dem Betrieb des Lkw zuzurechnen. (alternativ: zur Unfallentstehung beim Gebrauch und beim Betrieb eines Lkw).
2. Hat ein Kfz-Haftpflichtversicherer eines Unfallverursachers Leistungen an den Geschädigten erbracht, so kann er gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer eines anderen Unfallverursachers Ausgleichsansprüche zumindest in analoger Anwendung des § 426 BGB geltend machen.
Normenkette
BGB §§ 426, 823, 831; StVG §§ 7, 17-18; PflVG § 3 Nr. 1 a.F.; AKB § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen 12 O 150/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.5.2008 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 10.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.6.2007 sowie vorprozessuale Anwaltsgebühren i.H.v. 775,64 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Beklagte zu 2) war bei der Beklagten zu 3) als Lkw-Fahrer angestellt. Am 13.8.2004 hatte er vor Fahrtantritt auf dem Batteriekasten des bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Sattelzuges eine Tasche, in der sich Fahrzeug-, Anhänger- und Ladepapiere sowie zwei für das Bezahlen an Tankstellen vorgesehene Karten befanden, abgelegt und versehentlich liegen gelassen. Kurz nach dem Auffahren auf die Autobahn bemerkte er, dass die Tasche heruntergefallen war und dass der Inhalt sich auf der Autobahn verteilte. Er hielt deswegen den Sattelzug auf dem rechten Seitenstreifen an, schaltete das Warnblinklicht ein und zog eine Warnweste an, überquerte die Fahrbahn zum Mittelstreifen und begann, von dort aus Teile des Tascheninhalts aufzusammeln. Auf der Fahrbahn näherte sich zunächst der Zeuge Globke mit seinem Pkw Seat Leon. Als er den auf dem Seitenstreifen stehenden Sattelzug sah, wechselte er vom rechten auf den mittleren Fahrstreifen. Ihm folgte der Zeuge Wosylus mit seinem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Pkw Opel Astra. Er wechselte auf den linken Fahrstreifen, um den Zeugen Globke zu überholen, und kollidierte kurz darauf mit dessen Pkw Seat Leon, und zwar nach seiner Bekundung und der Behauptung der Klägerin deswegen, weil er den Beklagten zu 2) zwischen der Leitplanke und der Fahrbahnbegrenzungslinie auf dem Grünstreifen wahrgenommen hatte und deswegen nach rechts ausgewichen war.
Die Klägerin regulierte die Schäden des Zeugen Globke und wandte dazu 25.458,88 EUR auf. Weitere 381,47 EUR zahlte sie wegen eines unfallbedingten Leitplankenschadens an den Landesbetrieb Straßenbau NRW.
Ihre auf Zahlung eines Teilbetrages i.H.v. 10.000 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage, mit der sie Gesamtschuldnerausgleichsansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht hat, ist vom LG nach Beweisaufnahme durch das angefochtene Urteil abgewiesen worden mit der Begründung, es sei nicht bewiesen, dass die Kollision zwischen dem Pkw Opel Astra und dem Pkw Seat Leon überhaupt kausal auf die Anwesenheit des Beklagten zu 2) zwischen dem Fahrbahnrandstreifen und der Mittelleitplanke zurückzuführen sei; außerdem habe sich der Unfall weder beim Betrieb noch beim Gebrauch des Sattelzuges ereignet.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter und verlangt klageerweiternd nunmehr auch Ersatz vorprozessual aufgewandter Anwaltsgebühren i.H.v. 775,64 EUR. Sie wendet sich gegen die Beweiswürdigung des LG und hält daran fest, dass die Anwesenheit des Beklagten zu 2) auf dem Grünstreifen ursächlich dafür gewesen sei, dass Wosylus seinen Pkw Opel Astra nach rechts gezogen habe und dadurch schleudernd gegen den Pkw Seat des Zeugen Globke geraten sei. Sie ist ferner der Auffassung, dass der Unfall sich sowohl beim Betrieb als auch beim Gebrauch des bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Sattelzuges ereignet habe.
Die Beklagten verteidigen mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses und der Angaben des gem. § 141 ZPO angehörten Beklagten zu 2) wird auf den darüber gefertigten Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Beklagten haben der Klägerin den geforderten Teilbetrag i.H.v. 10.000 EUR nebst Zinsen und vorprozessual angefallenen Anwaltskosten zu erstatten.
1. Denn auch sie waren gem. §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823, 831 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG verpflichtet, die dem Zeugen Globke und dem Landesbetrieb Straßenbau entstandenen Schäden zu ersetzen.
1.1 Die Haftung des Beklagten zu 2...