Leitsatz (amtlich)
Zu der Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen ein in Teilen unrichtiges familienpsychologisches Sachverständigengutachten eine Sachverständigenhaftung gem. § 839a BGB begründen kann.
Normenkette
BGB § 839a
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 3 O 19/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.06.2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen (Az.: 3 O 19/20) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte mit dem Vorwurf, in dem familiengerichtlichen Verfahren 5 F 34/17 AG Coesfeld als gerichtlich bestellte Sachverständige ein unrichtiges familienpsychologisches Gutachten über ihn erstattet zu haben, auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit ausgestellt hat und zum Ersatz des ihm daraus zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet ist. Hintergrund der Klage ist Folgender:
Der Kläger ist mit Frau Y. O. verheiratet. Aus ihrer Ehe sind die gemeinsamen Kinder L., geboren am 00.00.2000, und B., geboren am 00.00.2006, hervorgegangen. Anlässlich der Trennung der Eheleute im Jahr 2016 kam es zwischen ihnen zu einer Vielzahl familiengerichtlicher Verfahren. Dabei stritten die Kindeseltern unter anderem in dem Verfahren Amtsgericht Coesfeld 5 F 34/17 um die elterliche Sorge für die beiden Kinder. In diesem Verfahren wurden vom AG Coesfeld mit Beschluss vom 13.04.2017 (Blatt 42 f. der Akten AG Coesfeld 5 F 34 /17 - im Folgenden "Beiakten" genannt -) zunächst zwei schriftliche psychiatrische Gutachten des Sachverständigen C. zu der Frage eingeholt, ob eine psychiatrische Erkrankung eines Elternteils vorliegt, die Einfluss auf die Ausübung der elterlichen Sorge haben könnte, und welche Sorgerechtsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht. Der Sachverständige C. kam in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.06.2017 betreffend die Kindesmutter zu dem Ergebnis, dass bei ihr keine psychische Erkrankung festzustellen sei und auch keine Hinweise für eine Alkoholabhängigkeit; es bestünden deshalb aus psychiatrischer Sicht keine Bedenken, wenn die Kinder in Zukunft ihren Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter hätten. Hinsichtlich des Klägers gelangte der Sachverständige C. in seinem schriftlichen Gutachten vom 16.06.2017 hingegen zu dem Ergebnis, dass sich beim Kläger deutliche Hinweise auf eine Persönlichkeitsakzentuierung im sogenannten B- oder dramatisch-emotionalen Cluster mit vor allem narzisstischen Anteilen fänden. Diese würden problematische erzieherische Verhaltensweisen begünstigen, zögen aber als solche keine unmittelbare Kindeswohlgefährdung nach sich. Wegen der Einzelheiten der beiden Gutachten wird auf Blatt 82-86 und 87-91 der Beiakten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 22.08.2017 (Blatt 134 f. der Beiakten) beauftragte das Amtsgericht Coesfeld sodann die Beklagte, eine promovierte Diplom-Psychologin, mit der Erstattung eines familienpsychologischen Gutachtens zu folgenden Fragen:
"Entspricht die Übertragung des Sorgerechts oder eines Teilbereichs wie des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil dem Wohl der Kinder am besten?
Ist eine Sorgerechtsregelung für L. O. überhaupt angezeigt?
Entspricht es dem Kindswohl am besten, wenn das Sorgerecht oder Teile des Sorgerechts auf den Kindsvater oder die Kindsmutter übertragen werden?"
Die Beklagte gelangte in ihrem schriftlichen Gutachten vom 08.10.2018 zu dem Ergebnis, dass die alleinige Ausübung derjenigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die seit der Elterntrennung immer wieder streitig gewesen seien bzw. die im Sinne des Kindeswohls unbedingt und zeitnah ein zuverlässig/konstant an der kindlichen Bedürfnislage ausgerichtetes elterliches Handeln erforderten (Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, schulische Belange, Beantragung von Hilfen) durch die Kindesmutter dem Wohl des Kindes B. am besten entspreche. Zur Begründung führte sie aus, dass die Erziehungsfähigkeit sowie die Erziehungs- und Förderkompetenz des Klägers im Hinblick auf das Kind B. vor dem Hintergrund einer in Richtung der eigenen Bedürfnislage/ narzisstisch verzerrten Wahrnehmungs- und Erlebnisverarbeitung, aufgrund der damit einhergehenden massiv eingeschränkten Potenziale im Bereich der elterlichen Feinfühligkeit sowie aufgrund gravierender Mängel im Bereich der Bindungstoleranz und der Kooperationsfähigkeit massiv eingeschränkt seien. Mit einer nachhaltigen Kompensation der vorgenannten psychischen Mängel können in absehbarer Zeit nich...