Leitsatz (amtlich)
1. Überlässt jemand (hier: Landwirt) einem oder mehreren Pferdehaltern gegen Entgelt Stallboxen, Weidemöglichkeiten und Tierfutter für dessen/deren Pferd(e) und ist er damit betraut, die Pferde morgens auf die Weide zu lassen und auch sonst nach dem rechten zu sehen, ist er als Tieraufseher i.S.v. § 834 BGB anzusehen.
Der dem Tieraufseher mögliche Entlastungsbeweis zur Haftungsfreistellung ist nicht geführt, wenn über mehrere Stunden unbeaufsichtigt gewesene Pferde nach 18 Uhr aus einer nicht ordnungsgemäß gesicherten Stallbox entweichen.
2. Die Übertragung der Tieraufsicht auf einen Tierhüter entbindet den Tierhalter nicht von seiner Gefährdungshaftung. Durch die gelegentliche Vermietung eines Pferdes an Reitschüler wird keine Nutztiereigenschaft begründet.
3. Eine Geschwindigkeit von 65 km/h und mehr bei Dunkelheit auf einer Landstraße genügt nicht den Anforderungen eines Fahrens auf Sicht, weil die Erkennbarkeitsentfernung in Bezug auf Pferde - ebenso wie bei dunkel gekleideten Fußgängern - nicht mehr als 30 Meter beträgt.
4. Tierhalter und Tierhüter haften bei einem Unfall eines Kraftfahrzeugs mit einem Pferd als Gesamtschuldner nach einer im Verhältnis zum Geschädigten einheitlichen Quote; eine unterschiedliche Quotierung der Haftungsanteile ist nicht geboten.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 26.11.2004 verkündete Grund- und Teilurteilder 10. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.
Die Leistungsklage gegen die Beklagte 1) wird dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den künftigen materiellen Schaden aus dem Unfall vom 30.4.2001 auf der Landstraße L. in E zu 2/3 zu ersetzen, soweit nicht Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte stattgefunden hat oder stattfindet. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den künftigen immateriellen Schaden aus dem vorbezeichneten Unfall unter Berücksichtigung eines Eigenverschuldensanteils von 1/3 zu ersetzen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das vorbezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LG vorbehalten.
Gründe
(abgekürzt gem. § 540 ZPO)
I. Der Kläger ist mit seinem Pkw am 30.4.2001 gegen 22.36 Uhr auf der Landstraße L. zwischen E und N in Höhe der Hausnummer ... mit den beiden der Erstbeklagten gehörenden Pferden "E2" und "M" zusammengestoßen, nachdem diese aus ihrem Stall beim Zweitbeklagten ausgebrochen waren. Zu dem Ausbruch der Tiere war es gekommen, nachdem das Pony "E3" der Drittbeklagten die nicht vollständig geschlossene Tür zu seiner Box geöffnet und die Pferde der Erstbeklagten, die über die zur Weide führenden rückseitigen Ausgänge ihrer eigenen Boxen in die Box des Ponys gelangen konnten, diesen Weg als Fluchtweg nutzen konnten. Ein solches Öffnen der nicht vollständig geschlossenen Boxentür durch das Pony war in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgt. Die Erstbeklagte war am Unfalltag verreist und hatte den Zweitbeklagten gebeten, sich während ihrer Abwesenheit um ihre Pferde zu kümmern und sie abends von der Weide zu holen. Der Beklagte war am Unfalltag gegen 18.00 Uhr zu einer Radtour aufgebrochen, von der er erst unmittelbar nach dem Unfall zurückkehrte. Die Pferde der Erstbeklagten und Drittbeklagten waren noch auf der Weide, als der Zweitbeklagte zu der Radtour aufbrach. Die Drittbeklagte hatte sich am Unfalltag zwischen 18.00 Uhr und 18.30 Uhr bei ihrem Pony aufgehalten und beim Verlassen des Hofes weder ihr eigenes Pferd noch die anderen Pferde von der Weide geholt. Nach dem Unfall war nicht nur die Tür zur Box des Ponys, sondern auch die vor den Pferdeboxen befindliche äußere Stalltür geöffnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien sowie der vom LG getroffenen Feststellungen, bei denen es mit Zustimmung der Parteien die in dem Verfahren 15 O 580/01 LG Münster/27 U 153/02 OLG Hamm (Schadensersatzansprüche der Erstbeklagten gegen die Drittbeklagte) erfolgte Beweisaufnahme verwertet hat, Bezug genommen.
Das LG hat eine Haftung der Drittbeklagten gem. § 823 BGB und nach § 833 BGB sowie des Zweitbeklagten nach § 834 BGB bejaht und unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers, der mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren sei, eine Haftungsquote von 2/3 festgestellt. Eine Entscheidung zum Feststellungsbegehren fehlt. Dagegen hat es eine Haftung der Erstbeklagten verneint mit der Begründung, sie habe ihre Verpflichtungen als Tierhalterin auf den Zweitbeklagten als Tieraufseher übertragen, bei dessen Auswahl sie kein Verschulden treffe.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufun...