Leitsatz (amtlich)
Allein der Umstand, dass eine ältere pflegebedürftige Person in einem Altenwohnheim und dort in ihrem gemeinsam mit ihrem gebrechlichen Ehemann bewohnten Zwei-Zimmer-Appartement einen Oberschenkelhalsbruch erlitten hat, der Folge eines Sturzes gewesen sein kann, führt nicht dazu, dass sich der deshalb in Anspruch genommene Träger des Wohnheimes durch Darlegung und Beweis ordnungsgemäßen Verhaltens seines Pflegepersonals entlasten muss (also keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast), wenn sich die geschuldete Pflegeleistung nach dem Pflegebedarf auf 215 Minuten pro Tag beschränkt. Es bleibt bei dem allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. (Fortführung der Rechtsprechung des BGH v. 18.12.1990 – VI ZR 169/90, MDR 1991, 846 = VersR 1991, 310).
Normenkette
ZPO §§ 286-287
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 4 O 141/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.12.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die klagende A. verlangt aus übergegangenem Recht der bei ihr unfallversicherten Rentnerin M.N. (im Folgenden: Versicherte) von dem beklagten Verein als Träger des Altenwohnheims F.-Haus in B. Schadensersatz.
Die Versicherte lebt seit dem 6.11.1997 zusammen mit ihrem Ehemann in einem Zwei-Zimmer-Appartement in dem vorgenannten Altenwohnheim. Sie ist wegen Alterskachexie, Blasen- und Darminkontinenz sowie cerebro-vaskulärer Insuffizienz mit Desorientierung in Pflegestufe II eingeordnet. Infolge ihrer Gebrechen ist sie nicht allein geh- und stehfähig, eine eigene situative Anpassung ist ihr nicht mehr möglich und sie ist nur eingeschränkt fähig, für die eigene Sicherheit zu sorgen. Der Medizinische Dienst erkannte in seinem Gutachten vom 16.12.1997 einen täglichen Hilfebedarf der Versicherten in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität von durchschnittlich 215 Minuten an.
Am 26.2.1998 stellte der betreuende Arzt im Altenwohnheim einen Oberschenkelhalsbruch bei der Versicherten fest, sie wurde mit dem Rettungswagen in die Städtischen Kliniken B. verbracht, wo sie bis zum 24.3.1998 in stationärer Behandlung verblieb.
Die Klägerin hat behauptet, die Versicherte habe sich den Oberschenkelhalsbruch bei einem Sturz aus ihrem Bett am 26.2.1998 zugezogen. Mit ihrer Klage hat sie die Kosten für die stationäre Behandlung der Versicherten einschl. der Kosten der Krankentransporte geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr stünde ein übergegangener Anspruch aus pVV und §§ 823, 831 BGB gegen die Beklagte zu, denn diese habe die ihr im Rahmen des Pflegevertrages obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie die Versicherte nicht vor einem Sturz bewahrt habe.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Versicherte aus dem Bett gefallen oder sonstwie gestürzt sei. Sie hat vielmehr behauptet, es handele sich bei dem Oberschenkelhalsbruch um einen Ermüdungsbruch.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe schon zu dem angeblichen Sturz der Versicherten nicht nachprüfbar vorgetragen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Versicherte sich den Oberschenkelhalsbruch bei einem Sturz zugezogen habe, so sei für eine Aufsichts- oder Betreuungspflichtverletzung der Beklagten nichts dargetan.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Schadensersatzansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Ergänzend trägt sie vor, die Versicherte sei am 26.2.1998 morgens von dem Pflegepersonal der Beklagten vor ihrem Bett liegend vorgefunden worden, was auf einen Sturz schließen lasse. Sie meint, die Darlegungs- und Beweislast für ein pflichtgemäßes Verhalten treffe die Beklagte, weil die Versicherte den Oberschenkelhalsbruch im Pflegeheim und damit außerhalb des ihr – der Klägerin – zugänglichen Wahrnehmungsbereiches erlitten habe.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat hinreichende Tatsachen für eine haftungsbegründende Pflichtverletzung der Beklagten nicht dargetan.
Die Darlegungs- und Beweislast für die erforderliche Aufsichts- oder Betreuungspflichtverletzung der Beklagten trifft die Klägerin. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruchssteller alle Tatsachen behaupten und beweisen muss, aus denen sich sein Anspruch herleitet.
Eine Beweislastumkehr, auf die die Berufungsbegründung abzielt, kommt hier nicht in Betracht.
Nicht ausreichend für eine Beweislastumkehr sind Billigkeitgründe im Einzelfall, denn „Unbilligkeiten” als solche sind mit jeder Beweislastentscheidung verbunden. Vielmehr unterliegt eine Beweislastumkehr strengen Voraussetzungen und ist nur in den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen möglich, weil das Prozessrisiko kalkulierbar bleiben muss (BGH, Urt. v. 17.12.1996 – XI ZR 41/96, NJW-RR 1997, 892). Im Streitfall ist danach eine Beweislastumkehr zwar nicht von vorneh...