Leitsatz (amtlich)
1. Einem gem. § 25 Nr. 5 VOB/A zu wertenden Nebenangebot darf nur dann der Zuschlag erteilt werden, wenn es dem abzugebenden Hauptangebot quantitativ und qualitativ gleichwertig ist.
2. Im Rahmen des dem Auftraggeber zustehenden Ermessensspielraums bei der Zuschlagerteilung hat er bei Nebenangeboten eine besonders eingehende und alle Vergabekriterien gewichtende und zueinander ins Verhältnis setzende, vergleichend abwägende Wertung durchzuführen, insb. wenn erhebliche Abweichungen von der ausgeschriebenen Bauleistung vorliegen.
3. Einem Bieter ist es nicht möglich, durch ein entsprechend kostengünstigeres Nebenangebot, auch wenn es funktional gleichwertig ist, den Auftraggeber dazu zu zwingen, von seiner in vertretbarer Weise getroffenen grundsätzlichen Entscheidung über die Art der Durchführung einer Baumaßnahme (hier: Dachsanierung) abzuweichen.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 04.02.2005; Aktenzeichen 11 O 38/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.2.2005 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die VOB/A auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte hatte die komplette Erneuerung des Daches eines Lager- und Werkstattgebäudes der Standortverwaltung M. einschließlich der Entfernung des Altdachaufbaus ausgeschrieben. Das Nebenangebot der Klägerin sah vor, Teile des Altdachaufbaus zu erhalten. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass ein Verstoß der Beklagten gegen Vorschriften der VOB/A zu einem Schaden bei ihr geführt habe und dass die Beklagte ihr den Zuschlag hätte erteilen müssen. Unstreitig habe die Beklagte der Klägerin nicht den Zuschlag auf ihr Hauptangebot erteilen müssen. Ebenso wenig sei die Beklagte verpflichtet gewesen, der Klägerin den Zuschlag auf ihr Nebenangebot zu erteilen, da die Klägerin nicht habe beweisen können, dass die durch ihr Nebenangebot vorgeschlagenen Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung gleichwertig i.S.v. § 21 VOB/A gewesen seien. Die Klägerin könne auch nicht daraus einen Schadensersatzanspruch herleiten, dass die letztlich durch die Fa. R zur Ausführung gekommenen Dacharbeiten mit ihrem Nebenangebot gleichwertig gewesen wäre, nach der beabsichtigten Reduzierung des Leistungsumfanges die Bieter aufzufordern, ihre Angebote den geänderten Anforderungen anzupassen, begründe das keinen Schadensersatzanspruch. Die Klägerin könne nur dann Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn sie beweisen oder zumindest nahe legen könne, dass ihr in diesem Fall der Zugschlag hätte erteilt werden müssen. Das sei jedoch nicht nachweisbar und nicht ersichtlich. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Ausführungen auf Seite 5 ff. des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin.
Die angefochtene Entscheidung verstoße gleich in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 103 GG, §§ 279 Abs. 3, 285, 286 Abs. 1 ZPO.
Die rechts- und verfahrensfehlerhafte Vorgehensweise des LG sei durch den Beweisbeschluss vom 17.9.2002 (Bl. 313 f. d.A.) eingeleitet worden. Zum einen seien die Beweisfragen entscheidungsunerheblich gewesen. Entscheidend sei vielmehr die Frage, ob das Nebenangebot der Klägerin in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht gleichwertig mit den Leistungen gewesen sei, die die Beklagte in ihrem Leistungsverzeichnis vorgesehen hatte. Zum anderen beruhe die Fehlentscheidung des LG auch darauf, dass das LG den Sachverständigen W beauftragt habe, dem es an fachlicher Qualifikation im Dachdeckerhandwerk fehle. Rechts- und verfahrensfehlerhaft sei auch, dass das LG den Sachverständigen W nicht auf den Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom 27.1.2005 zum Termin vom 4.2.2005 geladen habe. Die Ausführungen des Sachverständigen seien widersprüchlich gewesen und hätten sich nicht mit den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin auseinandergesetzt. Zu berücksichtigen sei auch, dass nach dem vorangegangenen Hinweis des Gerichts vom 14.9.2004 die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei.
Entgegen der Auffassung des LG sei das Nebenangebot der Klägerin mit dem sog. Amtsvorschlag der Beklagten technisch und wirtschaftlich gleichwertig gewesen. Entgegen der undifferenzierten Auffassung des Sachverständigen W habe das Nebenangebot der Klägerin nicht lediglich auf einer Verringerung der Massen ihres Hauptangebotes beruht. Vielmehr habe die Klägerin, wie ersti...