Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Vermieter entgegen § 112 Nr. 1 InsO eine Kündigung vor, ist diese nichtig; eine vom Insolvenzverwalter auf diese Kündigung erklärte "Bestätigung" führt nicht ohne weiteres zur Beendigung des Mietverhältnisses ex nunc oder gar rückwirkend auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, sondern nur dann, wenn diese Bestätigung als Angebot an den Vermieter auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung anzusehen und wenn diese durch den Vermieter angenommen worden ist.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 6 O 480/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.1.2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27.016,17 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 6.488,00 EUR für die Zeit vom 5.2.2013 bis zum 31.12.2014, vom 5.3.2013 bis zum 31.12.2014, vom 5.4.2013 bis zum 31.12.2014 und vom 5.5.2013 bis zum 31.12.2014 sowie aus weiteren 194,53 EUR für die Zeit vom 3.6.2013 bis zum 31.12.2014 sowie aus 24.212,53 EUR seit dem 1.1.2015 sowie
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 700,91 EUR für die Zeit vom 5.2.2013 bis zum 31.12.2014, vom 5.3.2013 bis zum 31.12.2014, vom 5.4.2013 bis zum 31.12.2014 und vom 5.5.2013 bis zum 31.12.2014 sowie aus 2.803,64 EUR seit dem 1.1.2015
zu zahlen;
die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen; die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger ist Eigentümer eines Hallen- und Gebäudekomplexes B in E. Er schloss mit dem Transportunternehmer X, handelnd unter Güterverkehr X e.K., zwischen dem 3.4.2007 und dem 10.3.2009 mehrere Mietverträge über Hallen, Büro- und Sozialräume sowie über Freiflächen. Die Mieten beliefen sich nach unwidersprochener Darstellung des Klägers zuletzt auf 7.188,91 EUR (brutto) monatlich. Am 6.12.2012 ging der Antrag des Mieters auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen beim Amtsgericht Dortmund ein. Mit Beschluss vom 12.12.2012 bestellte das Amtsgericht Dortmund im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Mieters (Az. 251 IN 195/12) die Beklagte zur vorläufigen Insolvenzverwalterin gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO. Bis Ende 2012 waren Zahlungsrückstände des Mieters in mehrfacher Höhe der Monatsmieten aufgelaufen; der Geschäftsbetrieb wurde Ende 2012 eingestellt. Unter dem 7.1.2013 und dem 8.1.2013 kündigte der Kläger die Mietverhältnisse fristlos wegen Zahlungsverzugs "mit mehr als einer Mietrate". Die Beklagte - in ihrer damaligen Funktion als vorläufige Insolvenzverwalterin - beantragte am 23.1.2013 gegenüber dem Insolvenzgericht, gegen den Kläger u.a. ein Betretungsverbot der Mietflächen auszusprechen. Zum Erlass der beantragten Sicherungsmaßnahmen kam es in der Folge nicht.
Mit Beschluss vom 31.1.2013 eröffnete das Amtsgericht Dortmund das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters und bestellte die Beklagte zur Insolvenzverwalterin. Sie verwehrte dem Kläger mit Schreiben vom 8.2.2013 jeglichen Zugriff auf Vermögenswerte des Schuldners, die sich "auf dem Betriebsgrundstück bzw. in den Büroräumen" befänden, und forderte ihn auf, der von ihr mit der Verwertung der Insolvenzmasse (namentlich Kraftfahrzeuge des Schuldners) beauftragten Fa. H GmbH (im Folgenden H) ungehinderten Zutritt zu gewähren. Unter dem 13.2.2013 wurde auf Veranlassung der Beklagten die Stromversorgung eingestellt; die Rolltore zumindest eines Mietobjekts konnten damit nicht mehr betätigt werden. Im Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 27.2.2013 hieß es auszugsweise wie folgt:
"...
Unter Bezugnahme auf Ihre Schreiben vom 07.01.2013 und 08.01.2013 bestätige ich Ihnen die erfolgte fristlose Kündigung der Mietverträge des Insolvenzschuldners ... Wie mir durch Mitarbeiter des Insolvenzschuldners bestätigt wurde, befinden Sie sich auch bereits im Besitz von Schlüsseln zu den Mieträumen. Die Immobilie ist ungeräumt, wird aber nicht im Rahmen der Betriebsfortführung genutzt, ..."
Mietzahlungen an den Kläger erfolgten nicht. Angebote u.a. der Mutter des Insolvenzschuldners vom 5. und vom 19.3.2013, dem Kläger Schlüssel zu zurückzugeben, wies er zurück. Die Beklagte selbst übersandte seinem damaligen Bevollmächtigten Rechtsanwalt H2 mit Schreiben vom 8.3.2013 ebenfalls Schlüssel. ...