Leitsatz (amtlich)
1. Auf Mietzinsansprüche, die einer aus den Gesellschaftern der Insolvenzschuldnerin bestehenden Gesellschaft gegen die Insovenzschuldnerin gem. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO zustehen, findet § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO keine Anwendung (insoweit wie OLG Schleswig, Urt. vom 13.1.2012 - 4 U 57/11).
2. Die Regelung des § 135 Abs. 3 S. 2 InsO kommt nur zur Anwendung, wenn der Vermieter einen Aussonderungsanspruch bezüglich des Mietobjekts geltend macht.
3. Vereinnahmen die Gesellschafter der späteren Insovenzschuldnerin bzw. eine aus ihnen bestehende Gesellschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Mietzinszahlungen, die nicht innerhalb vertraglich üblicher Fälligkeitsregelungen erfolgten oder nicht innerhalb der durch verkehrsübliche Gepflogenheiten bestimmten Fristen geltend gemacht wurden, so sind diese Zahlungen gem. § 135 Abs. 1 S. 2 InsO anfechtbar.
4. Wird das Mietverhältnis mit dem Insolvensschuldner erst nach Insolvenzeröffnung beendet, schuldet die Masse grundsätzlich nur die Übertragung des Besitzes an den Vermieter, nicht hingegen auch die Räumung gem. § 546 Abs. 1 BGB, so dass die Rückgabe des "ungeräumten" Besitzes nicht bereits den Tatbestand der Vorenthaltung i.S.v. § 546a BGB erfüllt und daher auch keine Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 InsO begründet. Ein Nutzungsentschädigungsanspruch als Masseverbindlichkeit entsteht jedoch dann, wenn der Insovenzverwalter in dieser Funktion den vertragswidrigen Zustand (bezüglich der fehlenden Räumung) selbst zu verantworten hat (wie OLG Saarbrücken, Urt. vom 9.3.2006 - 8 U 119/05).
Normenkette
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Nr. 2, § 108 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 3 S. 2; BGB § 546a
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 17.08.2012; Aktenzeichen 17 O 183/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird unter teilweiser Abänderung des am 17.8.2012 verkündeten Urteils der 8. Kammer für Handelssachen des LG Bielefeld die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das angefochtene Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die vorliegende Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das Urteil beschwert beide Parteien mit mehr als 20.000 EUR.
Die Revision der Klägerin wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht Ansprüche gegen den Beklagten aus einem Mietvertrag geltend.
Die Brüder A und B sind hälftige Miteigentümer bzw. Erbbauberechtigte dreier als gewerbliche Flächen genutzter Grundstücke unter der Anschrift X-Weg in S (Gesamtgröße: 10.329 m2). Auf diesen Grundstücken befinden sich u.a. drei (Lager-)Hallen, teils mit fest installierten Maschinen bzw. Silos, sowie weitere Gebäude mit Büroräumen. Es wurden bzw. werden an diesem Ort verschiedene Unternehmen unter Beteiligung der Gebrüder A und B betrieben. Beide Herren A und B waren bzw. sind ferner Gesellschafter der sog. C GbR, der Klägerin, und einer "Logistik + Verwaltung GbR", die nach Darstellung der Klägerin mit ihr identisch ist. Am 29.12.2008 gründeten A und B zusammen mit T die V GmbH. Auf das Stammkapital der Gesellschaft von 25.000 EUR übernahmen A und B jeweils eine Stammeinlage i.H.v. 10.000 EUR. Als Geschäftsführer dieser Gesellschaft fungierten zunächst beide Herren A und B, ab dem 10.2.2009 nur noch B. Der Gesellschaftsvertrag sah eine Befreiung von § 181 BGB vor. Die Gebrüder A und B sowie T gründeten ferner am Folgetag, dem 30.12.2008, als Kommanditisten mit der V GmbH als Komplementärin die E GmbH & Co. KG. Diese führte sodann anstelle der J GmbH, die sich bis zum 31.12.2008 mit der Produktion von Styropor befasst hatte, diese Produktion weiter. Die E GmbH & Co. KG wurde später in S GmbH & Co. KG umbenannt. Unter dem 2.1.2009 kam es mit dieser Gesellschaft, der späteren Insolvenzschuldnerin, zum Abschluss eines "Geschäftsraummietvertrages" über Lagerhallen, Maschinen, Büroräume und einen Lagerplatz auf dem genannten Grundstück. Eingangs dieses Vertrages heißt es:
Geschäftsraummietvertrag
zwischen Firma (Name, Anschrift) A und B. (Vermieter) und ...
Die Mietsache ist im Vertrag (§ 1) näher umschrieben (1.100 qm Produktion -Lagerhalle 1.650 qm Außenlagerhalle I - 350 qm Außenlagerhalle II - 70 qm Büroraum). Der Gesamtmietzins sollte monatlich 24.400 EUR netto (29.036 EUR b...