Leitsatz (amtlich)

Hat der Versicherungsnehmer die einschlägigen Fragen des Versicherers beantwortet und sich auch ansonsten den Ermittlungen des Versicherers unterzogen, ist ihm ein längeres Zuwarten nicht mehr abzuverlangen, wenn ihm nicht konkret erklärt wird, welche weiteren Angaben bzw. Informationen erforderlich sind, um die Einstandspflicht abschließend beurteilen zu können. Die vage Ankündigung einer weiteren Prüfung des Leistungsanspruchs im Falle "entsprechender" Konkretisierung und Substantiierung der klägerischen Angaben stellt aus Sicht des Versicherungsnehmers keine ernstzunehmende Fortführung der Leistungsprüfung dar und muss damit dieselben Folgen haben wie eine endgültige Leistungsverweigerung.

 

Normenkette

VVG § 14

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 01.12.2011; Aktenzeichen I-1 O 96/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1.12.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Arnsberg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 1.7.2010 bis zum 31.12.2011 einen Betrag i.H.v. 47.125,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 21.896,48 EUR seit dem 1.4.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab dem 1.1.2012 bedingungsgemäße Leistungen i.H.v. monatlich 2.618,09 EUR aus der Berufsunfähigkeitspolice Nr... zu erbringen.

Es wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 1.7.2010 von der Beitragszahlungspflicht aus der Berufsunfähigkeitspolice Nr... befreit ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann vom jeweiligen Vollstreckungsschuldner durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abgewandt werden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen seiner Erkrankung an multipler Sklerose aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch.

Der Kläger ist gelernter Maler und Lackierer. Im Jahr 2005 gründete er einen eigenen Pulverbeschichtungsbetrieb (Firma H GmbH), in dem er als einziger Gesellschafter und Geschäftsführer seitdem selbst mitarbeitete.

Ausweislich des Versicherungsscheins vom 7.11.2005 (Versicherungsscheinnummer..., Anlage K 1) hält der Kläger für den Zeitraum vom 1.11.2005 bis zum 31.10.2025 bei der Beklagten eine private Berufsunfähigkeitsversicherung mit planmäßiger Erhöhung nach dem Dynamikplan. Die monatliche Rente betrug danach anfänglich 2.000 EUR, der zu entrichtende Monatsbeitrag 171,06 EUR. Dem Versicherungsverhältnis liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (AVB-BUV 08.05 - im Folgenden: AVB) sowie die Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit planmäßiger Erhöhung nach dem Dynamikplan (DYNB BUV 03.03 - im Folgenden: BBD) zugrunde.

Nach § 1 Abs. 1 AVB liegt Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vor, "wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf - so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war - nachzugehen. Eine Verweisung auf eine vergleichbare Tätigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn diese im Sinne von Abs. 4a konkret ausgeübt wird (Verzicht auf abstrakte Verweisung)."

Nach § 1 Abs. 3b AVB liegt Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen nicht vor, "wenn die versicherte Person nach Eintritt des in Abs. 1 beschriebenen Zustands als Selbständiger oder Angestellter mit Weisungs- und Direktionsbefugnis nach wirtschaftlich angemessener Umorganisation innerhalb des Betriebes weiter tätig sein könnte". Eine Umorganisation soll angemessen sein, "wenn sie keinen erheblichen Kapitaleinsatz erfordert, sich keine auf Dauer ins Gewicht fallende Einkommenseinbußen ergeben, sie von der versicherten Person aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens realisiert werden kann und der versicherten Person ein der bisherigen Position angemessener Tätigkeitsbereich geschaffen wird und diese aus medizinischer Sicht möglich ist".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die mit der Klageschrift als Anlage K 1 zur Akte gereichten AVB Bezug genommen.

Die vom Versicherungsschutz umfasste Dynamikerhöhung bewirkt gem. § 1 Abs. 2 BBD eine Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung, und zwar gem. § 2 Abs. 1 BBD jeweils zum Jahrestag des Versicherungsbeginns, über die der Versicherungsnehmer gem. § 2 Abs. 2 BBD eine rechtzeitige Mitteilung erhält. Nach § 5 Abs. 1 BBD entfällt die Erhöhung, wenn der Versicherungsnehmer ihr bis zum Ende des ersten Ge...

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