Leitsatz (amtlich)
Es muss nicht in jedem Fall, in dem ein Fahrzeugführer eine ausländische EU-Fahrerlaubnis hat und daher nach § 28 Abs. 1 FeV grundsätzlich zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist, auch ohne Anhaltspunkte festgestellt werden, ob sämtliche Ausnahmetatbestände des § 28 Abs. 4 FeV vorliegen.
Verfahrensgang
AG Blomberg (Entscheidung vom 01.02.2012) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft Detmold gegen das Urteil des Amtsgerichts Blomberg vom 01.02.2012 wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Aus- lagen zu tragen hat, als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen freigesprochen:
Mit den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Detmold vom 11.10.2011 und vom 24.11.2011 wird ihm folgendes zur Last gelegt:
"Der Angeklagte befuhr am 28.04.2011 gegen 23.15 Uhr mit einem fahrerlaubnis- pflichtigen Personenkraftwagen der Marke Audi mit dem Kennzeichen xxx unter anderem die BAB 44 mit überhöhter Geschwindigkeit. Zum Führen des Fahrzeugs war er - wie er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen - nicht berechtigt, weil er zum Zeitpunkt der Tat keine Fahrerlaubnis besaß. Die spanische Fahrerlaubnis vom 26.09.2009 berechtigt nach § 28 Abs. 4 Ziff. 3 Fahrerlaubnisverordnung nicht zum Führen von Fahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, da die Fahrerlaubnis zuvor durch Verfügung der Fahrerlaubnisbehörde des Kreises Lippe vom 28.11.2006, unanfechtbar seit dem 02.01.2007, entzogen worden war."
"Er befuhr am 28.04.2011 gegen 12.31 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen Personenkraftwagen der Marke Audi mit dem Kennzeichen xxxxx unter anderem die Bundesautobahn 4. Zum Führen des Fahrzeugs war er - wie er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen - nicht berechtigt, weil er zum Zeitpunkt der Tat keine Fahrerlaubnis besaß."
Das Amtsgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil er jedenfalls nicht fahrlässig gehandelt habe. Selbst wenn man unterstelle, dass seine spanische Fahrerlaubnis ihn nicht berechtige, in Deutschland ein Kraftfahrzeug zu führen, habe der Angeklagte dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennen können, weil nur der EuGH die damals von ihm noch nicht entschiedene Frage klären könne, ob ausländische EU-Führerscheine in solchen Situationen nach Art. 2 I, 111V der Richtlinie 2006/1261EG anzuerkennen seien. Außerdem neige auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 22.09.2011 -2 ByR 947/11) dazu, § 28 IV 1 Nr. 3 FeV, nach dem die Anerkennungspflicht zu verneinen wäre, für europarechtswidrig zu halten.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer form- und fristgerechten Revision, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
Dabei erübrigt sich die Frage, ob der Angeklagte das Fehlen einer Fahrerlaubnis hätte erkennen können und ob dies für die Fahrlässigkeit oder erst im Rahmen der Schuld für die Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums von Bedeutung ist. Der Angeklagte hatte nach den getroffenen Feststellungen nämlich die erforderliche Fahrerlaubnis.
Für das Vorliegen einer solchen ist gemäß §§ 2 XI, 6 I Nr. 1 j) StVG die Fahrerlaubnisverordnung entscheidend.
1.
Der Angeklagte war nach § 28 I FeV aufgrund seiner spanischen Fahrerlaubnis vom 26.09.2009 berechtigt, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen.
2. Diese Berechtigung war nicht gemäß § 28 IV Nr. 3 FeV ausgeschlossen.
Danach gilt die Berechtigung zwar nicht, wenn die Fahrerlaubnis im Inland bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, wie es beim Angeklagten aufgrund der Verfügung der Fahrerlaubnisbehörde des Kreises Lippe vom 28.11.2006 der Fall war. Insoweit steht die Norm jedoch im Widerspruch zu Art. 2 I, 111V der Richtlinie 2006/126/EG (sog. 3. Führerscheinrichtlinie), wie sie vom EuGH ausgelegt werden. Nach dessen mittlerweile ergangener Rechtsprechung ist es einem Mitgliedsstaat verwehrt, "die Anerkennung der Gültigkeit des einer Person, die Inhaber einer ihr in seinem Hoheitsgebiet entzogenen früheren Fahrerlaubnis war, außerhalb einer ihr auferlegten Sperrfrist für die Neuerteilung dieser Fahrerlaubnis von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins auch dann abzulehnen, wenn die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheits- gebiet des letztgenannten Mitgliedsstaats eingehalten wurde." (EuGH, Urteil vom 26.04.2012 - C 419/10).
a)
Der spanische Führerschein des Angeklagten wurde außerhalb einer Sperrfrist erteilt.
Die dagegen gerichtete Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft, nach der die Anerkennung des Führerscheins nach dieser Rechtsprechung gerade eine Sperrfrist voraussetze und daher die Anerkennung versagt werden könne, wenn keine Sperrfrist verhängt wurde, kann der Senat nicht nachvollziehen. Dagegen spricht nicht nur der Wortlaut des Tenors, sondern a...