Leitsatz (amtlich)
Im Hinblick auf die Dokumentationsfunktion einer ärztlichen Invaliditätsbescheinigung ist stets eine schriftlich (oder elektronisch) fixierte ärztliche Erklärung notwendig. Denn die Funktion dieser Bescheinigung besteht darin, dem Versicherer gestützt auf die Invaliditätsbescheinigung eine Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zu ermöglichen. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn später - etwa durch Vernehmung damals behandelnder Ärzte - geklärt werden müsste, welche Unfallfolgen aus Sicht des Arztes bestanden.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 07.07.2010; Aktenzeichen 2 O 288/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 7.7.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
(gemäß den §§ 540, 313a ZPO)
A. Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Unfallversicherung im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall vom ... auf der Bundesautobahn A 2. Wegen des Parteivortrags in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Dortmund vom 7.7.2010 Bezug genommen.
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
Es sei nicht festzustellen, dass die vom Kläger geschilderten Ohrgeräusche und Schwindelgefühle durch den Unfall hervorgerufen worden seien. Bereits zuvor habe der Kläger nämlich an Ohrgeräuschen infolge eines Knalltraumas sowie an einer Hörstörung gelitten. Eine Verschlimmerung durch den Unfall habe durch den Sachverständigen Dr. M nicht bestätigt werden können. Knöcherne Verletzungen im Bereich der Felsenbeine seinen nach den erhobenen Befunden ausgeschlossen. Auch fehle jeglicher Hinweis darauf, dass der Kläger unmittelbar nach dem Unfall eine starke Zunahme der Ohrgeräusche erwähnt habe. Das spreche deutlich gegen eine unfallbedingte Verschlimmerung des Tinnitus. Die Einholung eines weiteren Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet verspreche keine zusätzlichen Erkenntnisse hinsichtlich einer organisch bedingten Verschlimmerung des Tinnitus.
Hinsichtlich der behaupteten Beeinträchtigungen auf neurologischem Gebiet, wie etwa einer verminderten Gedächtnisleistung oder rezidivierenden Kopfschmerzen, fehle es an einer fristgemäßen ärztlichen Feststellung i.S.v. § 7 I (1) AUB 95. Aus dieser müssten sich nämlich die vom Arzt angenommene Ursache der Invalidität und die Art ihrer Auswirkung auf die Gesundheit des Versicherten ergeben. Darüber hinaus sei die Aussage nötig, dass der Unfall für einen Dauerschaden ursächlich sei. Die vorgelegten Bescheinigungen indes erfüllten diese Voraussetzungen nicht.
Der Kläger hat gegen diese Entscheidung form- und fristgemäß Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er darauf, dass das LG zu Unrecht vom Fehlen einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der neurologischen Beeinträchtigungen ausgegangen sei. Schon dem Arztbericht des Dr. S vom ... könne entnommen werden, dass er über Kopfschmerzen und kognitive Störungen infolge des Unfalls geklagt habe. Das seien typische Symptome eines Schädelhirntraumas. Darüber hinaus habe Dr. F in seiner Diagnose schlichtweg vergessen, das Schädelhirntrauma mit den typischen Symptomen, hier den Kopfschmerzen und den kognitiven Störungen, in Verbindung zu bringen. Zu dem gleichen Ergebnis sei innerhalb der Frist zur ärztlichen Bestätigung auch Dr. S gelangt. Das sei allerdings nicht schriftlich niedergelegt, was jetzt nachgeholt werde. In erster Instanz sei dazu nicht weiter vorgetragen worden, weil das LG auf diesen Punkt pflichtwidrig nicht hingewiesen habe. Zudem sei von der Beklagten nicht bestritten worden, dass die kognitiven Beeinträchtigungen Unfallfolgen des Schädel-Hirn-Traumas mit Hypermetabolismus seien.
Zudem sei es in erster Instanz unterblieben, ein Gutachten hinsichtlich der neurologischen Beschwerden einzuholen. Auch bezüglich des Tinnitus habe das LG zu Unrecht kein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt. Zudem leide das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M an verschiedenen Mängeln. Das belege das Gutachten von Herrn Dr. T2, das in einem weiteren Verfahren vor dem LG Dortmund (Az. 21 O 3/08) eingeholt worden sei. Unter den von Dr. T2 in seinem Gutachten beschriebenen Beschwerden und Beeinträchtigungen, etwa im Bereich des Lernens und Merkens, habe er (der Kläger) zuvor nicht gelitten. Sie seien erstmals nach dem Unfall aufgetreten.
Mit Schriftsatz vom 25.8.2011 hat der Kläger schließlich das Gutachten des Neurologen Prof. Dr. T vom 21.7.2011 übersandt (eingeholt in dem vom Senat beigezogenen Verfahren 21 O 3/08 LG Dortmund). Auch daraus ergebe sich, dass durch den Unfall eine komplexe Gehirnerschütterung und eine kognitive Störung...