Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Schadens bei der Geltendmachung "kleinen Schadensersatzes" im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselabgasskandal

2. Eine Schadensersatzklage im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselabgasskandal gegen die Herstellerin eines Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung, gerichtet auf die Zahlung des behaupteten Minderwertes (sog. kleiner Schadensersatz), ist jedenfalls dann unbegründet, wenn nicht feststeht, dass der Käufer bei Kenntnis der verheimlichten Umstände bereit gewesen wäre, den Kaufvertrag zu einem geringeren Kaufpreis zu schließen.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 1 O 489/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02.08.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld - 1 O 489/18 - unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Dieselabgasskandal die Zahlung sog. "kleinen Schadensersatzes" wegen eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages über ein Fahrzeug, das mit einem von der Beklagten hergestellten Motors des Typs EA 189 EU 5 ausgestattet ist.

Die Klägerin hat ihr mit 12.971,70 EUR beziffertes Schadensersatzbegehren schriftsätzlich mit der Behauptung begründet, sie hätte anstelle des im Kaufvertrag vom 07.05.2010 vereinbarten und anlässlich der Übergabe vom 25.06.2010 auch gezahlten Kaufpreises in Höhe von 17.921,70 EUR in Kenntnis des zur Unwirksamkeit der Betriebserlaubnis führenden Mangels einen Kaufvertrag nicht zu einem höheren Kaufpreis als 5.000 EUR geschlossen.

Das Landgericht hat die Klägerin persönlich angehört, einen Schadensersatzanspruch angenommen, dessen Höhe gemäß § 287 ZPO geschätzt und die Beklagte - unter Abweisung der Klage im Übrigen - zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 15 % des Kaufpreises (2688,26 EUR) des Fahrzeuges sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bezogen auf diesen Betrag als Streitwert verurteilt.

Im Berufungsverfahren haben die Parteien ihre wechselseitigen Berufungen unter Wiederholung und Vertiefung ihres jeweiligen erstinstanzlichen Vorbringens verfolgt. Dabei hat die Klägerin insbesondere gerügt, das Landgericht habe zu Unrecht den ihren Schaden ausmachenden Minderwert geschätzt ohne die der Schätzung zugrunde liegenden Umstände mitzuteilen. Die Schätzung sei willkürlich, weil sie mangels mitgeteilter Grundlage nicht auf Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Nachvollziehbarkeit überprüfbar sei. Insbesondere sei dem Urteil nicht zu entnehmen, ob das Landgericht das gesamte entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien berücksichtigt und bei seiner Schätzung die richtigen Maßstäbe zugrunde gelegt habe.

Es habe sich insbesondere über den Vortrag der Klägerin, sie hätte höchstens einen Preis von 5.000 EUR zahlt, und ihren diesbezüglichen Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hinweggesetzt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, soweit die Klage gegen diese Beklagte

abgewiesen worden und,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin sie 12.971,70 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.12.2018 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.12.2018 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind jeweils zulässig.

Indes ist die Berufung der Beklagten begründet, während die klägerische Berufung unbegründet ist.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Minderwertes nicht zu.

Zwar hat sie nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf Grund des täuschungsbedingten Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens nach §§ 826, 31 BGB. Das Klagevorbringen rechtfertigt indes nicht die Feststellung, dass ihr der geltend gemachte Schaden entstanden ist, wie es das Verlangen von Schadensersatz in Form des behaupteten Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs ("kleiner Schadensersatz") voraussetzt.

Insoweit hat das Landgericht den Vortrag der Parteien tatsächlich nicht vollständig gewürdigt, denn es hat die Widersprüche zwischen dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin und dem Inhalt ihrer persönlichen Anhörung nicht berücksichtigt.

Zwa...

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