Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung bei Kfz-Unfall: Kollision bei einem Auspark- bzw. Anfahrvorgang mit einem Linksabbieger; Anscheinsbeweis
Normenkette
StVO § 9 Abs. 3-4, § 10
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 18.11.2013; Aktenzeichen 21 O 415/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.11.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 21. Zivilkammer des LG Dortmund teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinaus weitere 2.428,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2012 zu zahlen sowie den Kläger von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte Prof. Dr. W. und Partner in Höhe von 171,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2013 freizustellen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagten zu 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
Dem Kläger steht auf Grund des Verkehrsunfalls im Kreuzungsbereich... in D. vom 03.01.2012 gegen 19.22 Uhr ein höherer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG zu, als vom LG ausgeurteilt wurde.
Der Unfall geschah bei der Teilnahme des Fahrzeuges der Beklagten am Straßenverkehr. Er stellt für den Beklagten zu 3) keine höhere Gewalt dar, vielmehr war die Betriebsgefahr des Fahrzeuges der Beklagten durch einen schuldhaften Verkehrsverstoß des Beklagten zu 3) erhöht worden.
Der Beklagte zu 3) hat gegen die Bestimmung des § 10 StVO verstoßen, indem er sich entweder beim Ausfahren aus einer Parklücke oder beim Anfahren vom Fahrbahnrand nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war.
Dabei kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte zu 3) bei seiner Anhörung beschrieben hat - der VW-Transporter der Beklagten zunächst in einer Parkbox rechtwinklig zur...straße geparkt worden und dann rückwärts auf die...straße zurückgesetzt worden war, oder ob - entsprechend der Unfallschilderung des Klägers - der Beklagte zu 3) das Fahrzeug im Bereich des Parkstreifens auf der aus seiner Fahrtrichtung linken Seite am Fahrbahnrand angehalten hatte. Die Schilderungen der im Senatstermin vernommenen Parteien zur Ausgangsposition des Beklagtenfahrzeuges divergieren, ohne dass eine gesicherte Feststellung möglich ist, welche Unfalldarstellung richtig ist. Nach beiden Unfalldarstellungen befand sich jedoch das Fahrzeug der Beklagten außerhalb des fließenden Verkehrs. Auch wenn der Beklagte zu 3) bereits aus der Parkbox rückwärts in die aus seiner Fahrtrichtung rechte Fahrspur der...straße gesetzt hätte, war mit dem Anfahren die Wiedereingliederung des Fahrzeuges in den fließenden Verkehr nicht abgeschlossen. Vielmehr ist dieser Vorgang erst dann beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und jede Auswirkung des Anfahrvorganges auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist (vgl. KG, KGR 2007, S. 772; Hentschel u.a.-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 10 StVO Rdn. 4a m.w.N.). Vorliegend ereignete sich die Kollision der Fahrzeuge in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe zum Auspark- bzw. Anfahrvorgang und beruhte auf der typischen Gefahr, dass sich andere Verkehrsteilnehmer auf das Hineinbegeben des Fahrzeuges in den fließenden Verkehr noch nicht eingestellt haben. Die Ansicht des Beklagten zu 3), dass ihm gegenüber dem Kläger ein Vorfahrtrecht zugestanden habe, ist daher von Rechtsirrtum geprägt.
Als Anfahrender war der Beklagte zu 3) zu höchster Sorgfalt verpflichtet, weshalb er jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen hatte. Dieser Sorgfalt hat er nicht genügt. Schon auf Grund der Position des klägerischen Fahrzeuges, welches sich zum Linksabbiegen zur Fahrbahnmitte eingeordnet hatte, hatte er Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ihm entgegenkommend aus seiner Fahrtrichtung nach links in die U...straße abbiegen wollte. Der Beklagte zu 3) hat bei seiner Anhörung eingeräumt, dass er das Fahrzeug des Klägers entgegenkommen sah, welches sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet hatte. Der Beklagte zu 3) musste daher in Rechnung stellen, dass der Kläger seine - des Beklagten zu 3) - Absicht zur Wiedereingliederung in den fließenden Verkehr nicht erkannt hatte und seinen Abbiegevorgang ausführen würde, ohne ihm Vorrang zu gewähren. Er war verpflichtet, das von ihm beabsichtigte Abbiegen in die U...straße solange zurückzustellen, bis er sichergehen konnte, dass er dies ohne Gefährdung des ihm entgegenkommenden Fahrzeu...