Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweis für „feindliches Grün”
Leitsatz (amtlich)
An den Beweis einer Fehlsteuerung einer Kreuzungsampel (hier: gleichzeitiges Grün für sich querende Verkehrswege, sog. „feindliches Grün”) sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Beweis kann geführt sein, wenn unfallunbeteiligte Zeugen eine Grünlichtschaltung für den Querverkehr (bei gleichzeitigem Grün für den kreuzenden Längsverkehr) bestätigen, sich die Kollision von Fahrzeugen im sich kreuzenden Verkehr in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang einer Betriebsstörung der Ampelanlage beim Umschalten auf ein anderes Schaltprogramm ereignet hat und ein Defekt des Sicherungssystems der Anlage nicht auszuschließen ist. Letzteres kommt dann in Betracht, wenn die für die Ampelsteuerung zuständige städtische Behörde eine Übereinstimmung des zur Unfallzeit bestehenden Istzustandes der Hard- und Software mit dem Sollzustand, insb. zur Signalsicherung nicht dokumentieren kann.
Normenkette
ZPO §§ 286-287
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 20.03.2002; Aktenzeichen 6 O 617/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.3.2002 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.481,51 Euro zzgl. 4 % Zinsen seit dem 17.9.1998 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden der Beklagten zu 60 % und dem Kläger zu 40 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschl. derjenigen der Streithilfe trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Am 17.6.1998 gegen 9.00 Uhr fuhr der Kläger mit seinem Lkw in B. auf der …allee in Fahrtrichtung Stadtmitte. Als er sich der Kreuzung …allee/…straße näherte, zeigte die dortige Lichtzeichenanlage für seine Fahrtrichtung Grün. An dieser Anlage wurde zur selben Zeit ein Programmwechsel vorgenommen, wobei ein Mitarbeiter der zuständigen Feuerwache die Anlage manuell auf ein anderes Programm umschaltete. Als der Kläger in die Kreuzung einfuhr, fuhren dort auf der …straße – aus seiner Sicht von rechts her kommend – im Querverkehr zwei andere Pkws (Fahrer Dr. G. und S.) ein und kollidierten mit seinem Lkw. Der Kläger behauptet, die Ampelanlage habe unmittelbar vor der Kollision für alle Fahrtrichtungen gleichzeitig Grünlicht angezeigt, und meint, für diese Betriebsstörung sei die Beklagte verantwortlich. Mit der Klage hat er seinen mit 8.159,20 DM bezifferten Schaden geltend gemacht (Reparaturkosten 5.613,41 DM; Minderwert 800 DM; Gutachterkosten 585,23 DM; Nutzungsausfallentschädigung 1.120,56 DM; Auslagenpauschale 40 DM). Die Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten. Sie hat eine Betriebsstörung bestritten und behauptet, die Kollision sei darauf zurückzuführen, dass die Zeugen Dr. G. und S. bereits bei Rot-Gelb oder Gelb losgefahren seien. Das LG hat nach Vernehmung von Zeugen und urkundenbeweislicher Verwertung eines in dem Parallelverfahren 6 O 578/98 LG Bochum erstatteten unfallanalytischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen und ein „feindliches” Grün als nicht bewiesen angesehen. Wegen des weiteren Parteivorbringens und der Feststellungen des LG wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seinen bisherigen Klageantrag in vollem Umfang weiter, wobei er die Beweiswürdigung des LG angreift.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen „feindlichen Grüns” nach § 39 Abs. 1b OBG ein Schadenersatzanspruch i.H.v. 2.481,51 Euro zu.
1. Nach inzwischen gefestigter Rspr. stellt eine Lichtzeichenanlage, die einen falsch gesteuerten Befehl ausstrahlt, eine ordnungsbehördliche Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift dar (BGH v. 18.12.1986 – III ZR 242/85, MDR 1987, 648 = VersR 1987, 666). Derartige Verkehrsregelungen, die aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit zu anderen Lichtzeichen derselben Anlage geeignet sind, Verkehrsteilnehmer zu gefährden, sind auch rechtswidrig.
An den Nachweis gleichzeitigen Grünlichts einer Lichtzeichenanlage für sich querende Verkehrswege (sog. „feindliches Grün”) sind nach der st. – auch vom BGH bestätigten – Rspr. des Senats besonders strenge Anforderungen zu stellen. Grund hierfür ist die hoch entwickelte doppelte elektronische Sicherung der Phasensteuerung, die ein gleichzeitiges Grün für „feindliche” Verkehrsströme erfahrungsgemäß weitestgehend verhindert. Bestätigt zudem ein Sachverständiger die Wirksamkeit der Sicherung plausibel auch im konkreten Streitfall, können gegenteilige Zeugenaussagen wegen der relativen Unsicherheit des Zeugenbeweises nur ausnahmsweise die Überzeugung von einem „feindlichen Grün” begründen.
2. Trotz dieser besonders strengen Beweisanforderungen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Unfall des Klägers im Streitfall tatsächlich auf „feindliches Grün” zurückzuführen ist.
a) Ein erster Ansatzpunkt für Zweifel an der zuverlässigen Steuerung de...