Verfahrensgang

LG Bielefeld (Entscheidung vom 22.08.2007; Aktenzeichen 8 O 200/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. August 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - teilweise abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,-- EUR zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und weiteren immateriellen Schaden jeweils zur Hälfte zu ersetzen, welcher dem Kläger aus dem Polizeieinsatz vom 15.12.2002 in S noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/8 und das beklagte Land zu 5/8.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen eines Polizeieinsatzes am 15.12.2002 in und vor der Gaststätte "B" in S, durch welchen er nach seiner Behauptung eine Verletzung der Halswirbel und infolgedessen eine Querschnittslähmung erlitt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage nach uneidlicher Vernehmung der Zeugen S2, M3 und N3 sowie Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. G abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine schuldhafte Pflichtverletzung der einsatzbeteiligten Polizeibeamten nicht feststellen lasse. Vielmehr seien sie berechtigt gewesen, den von ihnen gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Platzverweis mit körperlicher Gewalt durchzusetzen. Weil der Kläger versucht habe, sich dem Zugriff der Polizeibeamten durch Um-sich-Schlagen zu entziehen, habe seine Gegenwehr rechtmäßigerweise unterbunden werden dürfen. Dabei seien die gewöhnlichen Eingriffstechniken der Polizei angewendet worden. Deshalb könne auch nicht festgestellt werden, dass die Verletzung des Klägers auf eine Handlung der Polizeibeamten zurückzuführen sei. Auch eine Verschlimmerung der Verletzung in Folge pflichtwidrigen Handelns bei dem Verbringen des Klägers in Polizeiwagen und Polizeigewahrsam sei angesichts der erheblichen Alkoholisierung, die von einer schwerwiegenden Verletzung des Klägers abgelenkt habe, nicht festzustellen.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger die Beweiswürdigung des Landgerichts. Insbesondere sei die Aussage des Zeugen N3 von einer Belastungstendenz zu seinen Lasten geprägt und stehe im Widerspruch zu dessen Aussagen im Ermittlungsverfahren wie auch in seinem - des Klägers - Rechtsstreit gegen die Q AG vor dem Landgericht Münster, weshalb sie nicht glaubhaft seien. Der Kläger vertieft seine Behauptungen, weder den Polizeibeamten M3 mit dem Ellenbogen in Richtung Gesicht noch sonst um sich geschlagen zu haben. Erst aufgrund des von den Polizisten ausgeführten Würgegriffs am Hals sei er in Panik geraten und habe deshalb versucht, sich mit Gegenwehr daraus zu lösen.

Der Kläger beantragt,

das am 22.08.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld (Vorstellung: mindestens 140.000,-- EUR) zu zahlen sowie

2. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm zu einer Quote von 80 % allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Polizeieinsatz am 15.12.2002 in S noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergeht.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Der Senat hat den Kläger angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen M3, S2, L, N3 und L2 sowie Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. G. Wegen der Ergebnisse der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 10.12.2008 und 25.03.2009, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Dem Senat haben ferner die Akten 26 Js 718/02 StA Bielefeld sowie 15 O 30/05 LG Münster = 20 U 173/05 OLG Hamm vorgelegen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Dem Kläger steht gegen das beklagte Land wegen seiner bei dem Polizeieinsatz am 15.12.2002 in S erlittenen Verletzungen ein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG zu.

1.

Nach dem Ergebnis der Beweisauf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?