Leitsatz (amtlich)
Bei einem Unternehmensverkauf ("asset deal") trifft den Anwalt als Interessenvertreter des Verkäufers eine doppelte Belehrungspflicht zum Schutz des Mandanten vor ungesicherten Vorleistungen.
Normenkette
BGB §§ 675, 611; BRAO a.F. § 51b
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen 3 O 36/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen das am 27.5.2009 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Arnberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um anwaltliche Pflichtverletzungen im Rahmen der Veräußerung eines Unternehmens im Wege des "asset deals" sowie einer Eigentumswohnung im Zusammenhang mit ungesicherten Vorleistungen der Verkäufer.
Der Ehemann der Klägerin (Drittwiderbeklagter) war Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der "Auto- und Waffenhaus H GmbH & Co. KG" in C. Er und sein Sohn, der Zeuge H, waren Kommanditisten der KG. Die Klägerin war Angestellte des Unternehmens. Sie und ihr Ehemann waren ferner Eigentümer einer vermieteten Eigentumswohnung in Hessen.
Der Ehemann der Klägerin wollte das Unternehmen im Jahr 2003 an den dort tätigen Kfz-Meister, den Zeugen L, veräußern. Auch die Eigentumswohnung sollte ihm verkauft werden. L musste Kredit aufnehmen, um den Kaufpreis zu finanzieren. Den Kredit sollte ihm durch ein von ihm eingeschaltetes Unternehmen namens "M GmbH - Gesellschaft für strategische Finanz- und Vorsorgeplanung" vermittelt werden.
L beauftragte einen Notar, den Zeugen Q, einen Vertragsentwurf zu fertigen. Danach sollte der Geschäftsbetrieb zum 1.10.2004 übergeben werden. Die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung war noch nicht bestimmt. Wegen der Einzelheiten des Entwurfs wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.
Im September 2004 mandatierte der Ehemann der Klägerin die beklagten Rechtsanwälte, die in einer Anwaltssozietät verbunden sind. Sachbearbeiter war im Wesentlichen der Beklagte zu 3. Der Ehemann überreichte ihm und dem damaligen Steuerberater des Unternehmens, dem Zeugen T, am 7.9.2004 den Vertragsentwurf des Notars.
Die Beklagten boten mit Schreiben vom 8.9.2004 an die Klägerin und ihren Ehemann an, "hinsichtlich der Beratung, Begleitung in Vertragsverhandlungen und dem Erstellen von Vertragsentwürfen des Verkaufs Ihres Unternehmens (asset deal) sowie des Betriebsgrundstücks und einer Eigentumswohnung" eine Erweiterung der anwaltlichen Haftpflichtversicherung auf 2 Millionen EUR abzuschließen. Ferner heißt es: "Sie teilen mit, dass eine solche besondere Haftpflichtversicherung nicht abzuschließen ist. Wir sind uns einig, dass die Haftung für die von uns übernommenen Leistungen der Höhe nach auf 480.000 EUR beschränkt ist". Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten das Schreiben gegen, der Ehemann nicht nur für sich selbst, sondern auch in Vertretung der KG.
Der Beklagte zu 3 verfasste einen Vertragsentwurf mit Stand vom 24.9.2004 (Anlage B 4). Mit Schreiben vom gleichen Tag sandte er den Entwurf an die Klägerin und ihren Ehemann. Als Stichtag für die Übergabe des Unternehmens war weiterhin der 1.10.2004 vorgesehen. § 12 Nr. 3 des Entwurfs enthielt einen Platzhalter für die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung.
Nach weiteren Besprechungen entwarf der Beklagte zu 3 einen überarbeiteten Vertragstext mit Stand vom 12.10.2004 (Anlage B 5). Danach war als Übergabezeitpunkt nunmehr der 1.11.2004 vorgesehen ("Übergangsstichtag"). Der Kaufpreis sollte am gleichen Tag fällig sein (§ 12 Nr. 5b und Nr. 7 des Entwurfs).
Am 13.10.2004 fand eine Besprechung des vorgenannten Entwurfs bei dem Steuerberater K - dem Steuerberater des L - statt, an der u.a. der Ehemann der Klägerin, der Beklagte 3, der Notar Q und L teilnahmen. Die von der Klägerin zunächst bestrittene Teilnahme des Steuerberaters T war im Senatstermin nicht mehr streitig. Nach Angaben der Klägerin wurde erörtert, ob die Übergabe auf den 15.11.2004 verschoben werde solle. K erklärte, dass eine Übergabe erst und nur dann erfolgen könne, wenn die vollständige Zahlung des Kaufpreises sichergestellt sei.
Der Beklagte zu 3 fertigte zu einem streitigen Zeitpunkt einen Aktenvermerk über den Inhalt des Gesprächs vom 13.10.2004. Er datierte den Vermerk auf den "13.11.2004" (Anlage B 6). Dies bezeichnen die Beklagten als Schreibfehler, richtig sei der 13.10.2004. In dem Aktenvermerk heißt es:
"Der diesseits gefertigte Vertragsentwurf wurde diskutiert.
...
Insbesondere wurde besprochen, ob der Kaufpreis nach § 12 Ziff. 7 erst nach dem Übergangsstichtag bezahlt werden könne, da von Seiten des Käufers keine Sicherheiten gestellt werden können. Nach Darste...