Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei Nichtzahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer (§ 92 Abs. 4 HGB) kann sich ein Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters gem. §§ 92 Abs. 2, 87a Abs. 3 S. 1 und 2 HGB ergeben.
2. Bei einem sich mangels Kündigung stets verlängernden Dauerschuldverhältnis lässt sich (im Fall der Kündigung zum Ablauf einer Versicherungsperiode) schon keine (teilweise) Nichtausführung des Geschäfts im Sinne von § 87a Abs. 3 S. 1 HGB annehmen.
3. In Fällen der Nichtverlängerung einer Versicherung nach Vollendung einer Versicherungsperiode besteht grundsätzlich keine Nachbearbeitungsobliegenheit des Versicherers.
Normenkette
HGB §§ 87a, 92
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 43 O 40/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.1.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Provision für das Jahr 2018 wegen eines von ihm vermittelten "Kraftfahrt-Versicherungsvertrags für Autohäuser" in Anspruch.
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter für den Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin vermittelte der Kläger einen vom 3.8.2009 datierenden "Kraftfahrt-Versicherungsvertrag für Autohäuser" (im Folgenden: Vertrag) bei der A Allgemeine Versicherung AG (im Folgenden: A). Im Vertrag war die B (im Folgenden: B), die selbst kein Autohaus betrieb und keinen Fuhrpark vorhielt, als Versicherungsnehmerin bezeichnet. Der Vertrag entsprach bezüglich der Beitragsbemessung (anhand der Lohnsummen der Betriebe) einem vom Kläger selbst konzipierten Modell. Umfasst waren eine "Kraftfahrzeughandel- und -handwerkversicherung" sowie eine Kraftfahrzeugversicherung (Ziff. 3.1 und 3.2). Auf dem Deckblatt der Police hieß es, der Vertrag werde mit der B "für" drei Tochtergesellschaften, nämlich die C GmbH, die Autohaus D & E GmbH und die Autohaus F GmbH, geschlossen. In dem Vertrag heißt es auszugsweise wie folgt:
9 Vertragsdauer
Dieser Vertrag wird für die Zeit vom 01.01.2009, 0,00 Uhr - 01.01.2010, 0,00 Uhr geschlossen und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn er nicht spätestens einen Monat vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.
Nach Darstellung des Beklagten kam es - in Ausfüllung des vorgenannten mit der B geschlossenen "Rahmenvertrags" - zu gesonderten inhaltlich entsprechenden "Rahmenverträgen" mit den genannten Autohäusern, doch stellte die A insoweit - unstreitig - keine gesonderten Versicherungsscheine aus (X-001). Später wurden auch die G Automobile GmbH, die H Automobile GmbH sowie die I & J GmbH in den Vertrag einbezogen. Es existiert (lediglich) ein schriftlicher "Nachtrag 01" bezüglich der Einbeziehung der G Automobile GmbH (I-439ff.). Die Tochtergesellschaften selbst hielten bei der A weitere Versicherungen zur Abdeckung anderer Risiken.
Mit Schreiben vom 26.10.2011 (Anl. K14) wandte sich der Kläger namens der A "Bezirksdirektion K" an die B . Darin hieß es unter der Überschrift "Einheitliche Kündigungsfristen / Autohauspolice aufgrund VVG-Reform" auszugsweise wie folgt:
"... auf Wunsch unserer Kfz-Abteilung und nach Rücksprache mit dem zuständigen Spartenleiter möchten wir Ihnen mitteilen, dass aufgrund der gültigen VVG-Reform sämtliche Einzelpolicen Ihres Autohauses eine einheitliche Kündigungsfrist (30.9. des jeweiligen Versicherungsjahres) haben. Die Regelung war erforderlich, um auch den Bereich Handel-Handwerk für Sie in die VVG-Notwendigkeit einer einheitlichen Kündigungsfrist einzubinden ...
Diese Regelung gilt für alle mitversicherten Autohäuser der B -Gruppe:
Autohaus C GmbH
..."
U.a. wegen erheblicher Regulierungsleistungen an die Autohäuser (auch infolge von Hagelschäden) wünschte die A jedenfalls ab 2017 eine Neufassung des Vertrags mit der B bzw. - aus ihrer Sicht - der Verträge mit den Autohäusern. Nachdem die von der A erbetenen Angaben zum Umfang der Risiken auch über den Kläger nicht zu erhalten waren, kündigte sie mit (bis auf die Versicherungsnummer und die Angabe des Adressaten bzw. "Versicherungsnehmers") gleichlautenden Schreiben vom 27.09.2017 gegenüber den (mittlerweile) sechs Autohäusern den Vertrag sowie weitere Versicherungen. In der Kündigung gegenüber der C GmbH hieß es auszugsweise wie folgt (Anlage B 5, BI. 108 ff.):
"Kündigung Autohaus Konzept
Versicherungsnummer 0X.0X0.X00 00X
Großverbindung 0XXXXX
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach den vertraglichen Vereinbarungen können die Versicherungsverträge sowohl vom Versicherungsnehmer als auch vom Versicherer unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten schriftlich zum Ablauf gekündigt werden.
Wir...